Der Vergessene
getötet, wenn Kamuel nicht im letzten Augenblick gerettet worden wäre.«
»Aber nicht durch Mose«, sagte ich.
»Nein, es war die Hand einer Frau, die sich ihm entgegenstreckte. Sie rettete den Verletzten, und sie pflegte ihn gesund. Sie kümmerte sich um ihn, und er versprach ihr, auf alle Ewigkeiten hin dankbar zu sein. So erzählt man es sich.«
Er hatte es spannend gemacht, aber ich wollte mehr von ihm wissen.
»Du wirst uns sicherlich sagen können, wer diese Frau gewesen ist, die ihn gerettet hat.«
»Es war meine Mutter!«
Dieser Satz hatte gesessen. Suko und ich starrten uns ungläubig an. Ich fand dann die Sprache zurück. »Meinst du damit Lilith?«
»So ist es.«
Eine schlichte Antwort, die allerdings bei mir noch einige Fragen aufwarf. »Warum hat sie das getan? Dazu hätte sie die Gefilde der Verdammnis verlassen müssen.«
»Was sie auch getan hat.«
»Und warum?«
»Sie hat doch menschlich gehandelt. Sie wollte sich einen Freund schaffen.«
»Das ist ihr gelungen«, bestätigte ich flüsternd. »Dann ist er so etwas wie ein Bote, der für sie hier arbeitet. Oder sehe ich das falsch?«
Elohim schüttelte den Kopf. »Du siehst es richtig, so wie ich.«
»Sehr gut. Kommen wir zu dir. Was hast du mit all diesen Dingen zu tun? Was treibt dich dazu, Kamuel zu jagen?«
»Der Hass!«
Das war mir zuwenig, und auch Suko schüttelte den Kopf. »Wieso der Hass?«
»Lilith ist meine Mutter. Kamuel liebt sie, aber er hasst mich, weil er denkt, dass er sie mit mir teilen muss. Es ist schlimm, ich weiß. Es ist auch schon menschlich, aber es gibt keine andere Erklärung. Er hasst mich, ich hasse ihn, und ich weiß auch, dass er viele, viele zusammenholen will, um Lilith mehr Macht zu geben.«
»Was heißt viele?«
»Seine Helfer.«
»Doch nicht diese Zwölftausend, von denen du berichtet hast«, sagte Suko.
»Nein, die nicht. Das ist etwas anderes. Aber es hat immer wieder Abtrünnige gegeben, die sich dann unter die Menschen mischten und auch so aussahen wie sie. Sie führen ein menschliches Leben, und es gibt sie überall.«
»Hat er schon viele gefunden?«
Elohim hob die Schultern. »Das ist mir nicht bekannt. Er hat es zunächst heimlich getan. Bei mir dauerte es, bis ich ihm auf die Schliche kam. Danach gab es für mich kein Halten. Ich versuche, an ihm zu bleiben und nie seine Spur zu verlieren. Etwas anderes kann ich nicht tun. Bisher ist es mir auch nicht gelungen, ihn zu töten. Der Kampf ging immer unentschieden aus.«
Ich schüttelte den Kopf und erklärte Elohim auch den Grund. »Ich begreife einfach nicht, dass du dir keine Hilfe gesucht hast. Du hättest uns Bescheid geben können.«
Zum ersten Mal lachte er. »Wie denn? Diese anderen, die er sucht, halten sich nicht nur in London auf. Sie sind in der ganzen Welt verteilt. Ich bin ihm auch dorthin gefolgt. Er hat es nicht immer geschafft. Einige versagten ihm die Treue. Die hat er umgebracht. Wer nicht für ihn ist, der ist gegen ihn.«
Das nahmen wir ihm ab. Suko meldete sich wieder und erkundigte sich: »Was ist denn mit denen geschehen, die seinem Ruf gefolgt sind?«
Elohim winkte ab. »Ganz einfach. Sie hat er wieder mitgenommen in das alte Reich.«
»Also dahin, wo er hergekommen ist?«
»Nein, in die Dimension seiner Retterin. Sie halten sich bei Lilith auf, und sie halten sich bereit. Wenn ein gewisser Zeitpunkt gekommen ist, wird er mit seinem Heer in Liliths Namen zuschlagen. Er muss auch eine gewisse Anzahl seiner Getreuen bei sich haben, und er will es mit aller Macht, denn lange genug ist er vergessen worden. Das soll jetzt ein Ende haben.«
»Weißt du denn, wie viele Helfer ihm noch fehlen?«
»Nein, John, ich versuche immer nur, ihn bei seinen Plänen zu stören. Besiegen konnte ich ihn noch nicht.«
»Auch jetzt ist er dir entwischt.«
Elohim nickte betrübt.
»Wohin? Hast du eine Ahnung?«
Die Antwort klang etwas ungenau, ich verstand sie trotzdem. »Er will sich jetzt den Großraum London aussuchen, glaube ich. Dort halten sich noch mehrere auf. Danach will er nach Amerika. In die großen Städte und auch in die Wüsten.«
»Moment mal, Elohim. Noch ist er in London?«
»Wenn er seine Pläne nicht geändert hat. Dafür gibt es keinen Grund, auch nicht, wenn ich in der Nähe bin. Er führt alles so durch, wie er es sich vorgenommen hat.«
»Hört sich gut an.«
»Unterschätze ihn nicht, John. Ihr habt hier erlebt, wozu er fähig ist.«
Elohim strich eine Locke aus der Stirn, und seine Augen
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