Der verhängnisvolle Urlaub
– rosé für den Morgen, karmin für den Tag und cyclam für den Abend – eine schmale Elfenbeinschale füllten und zusammen mit verschiedenen Pudersorten und der teuersten Make-up Creme ein Stilleben bildeten.
Vorhanden war auch schon ein künstliches Haarteil mit genau der gleichen Haarfarbe Karins, das dazu dienen sollte, ihre Lockenpracht beim Ball am Abend noch reicher zu gestalten.
Ein Kampf entbrannte, als die Kosmetikerin ans Werk gehen wollte und ihr von Karin entschiedener Widerstand entgegengesetzt wurde.
»Wir beginnen mit der Gesichtsmaske, Fräulein Fabrici.«
»Mit was?«
»Mit der Gesichtsmaske.«
»Für wen?«
Die Kosmetikerin blickte ein bißchen befremdet.
»Für Sie natürlich, Fräulein Fabrici.«
»Wer hatte denn diese Schnapsidee?«
Dieser Ausdruck gefiel der Kosmetikerin gar nicht. Sie empfand ihn schmerzlich. Indigniert sagte sie: »Die Maske gehört zu meinem Gesamtauftrag.«
»Soso. Schade, daß meine Mutter nicht da ist. Die würde sich über die Maske freuen.«
Die Kosmetikerin seufzte.
»Das alte Lied«, sagte sie. »Die Jugend glaubt, darüber erhaben zu sein. Aber täuschen Sie sich nicht, Fräulein Fabrici, es gibt auch das, was ich in unserer Branche die ›unsichtbaren Versäumnisse‹ getauft habe. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Ja«, nickte Karin. »Trotzdem möchte ich auf die Maske verzichten.«
Die Kosmetikerin zuckte die Achseln, zum Zeichen ihrer Einsicht, daß weitere Bemühungen zwecklos seien. Nach einer gewissen Pause, in der Karin zur Vernunft kommen sollte, fragte die Schönheitskünstlerin: »Und worauf wollen Sie nicht verzichten, Fräulein Fabrici?«
Karin überlegte kurz, dann deutete sie auf das weiße Frottierhandtuch mit den Augenbrauenutensilien und Lidschatten.
Die Kosmetikerin atmete erleichtert auf. Sie hatte schon befürchtet, überhaupt nicht gebraucht zu werden.
Ein feenhaftes, tief ausgeschnittenes Abendkleid aus golddurchwirktem Taft – eine Schöpfung aus dem Pariser Haus Sandrou – und ein mehrere tausend Mark kostendes Weißfuchscape lagen über den Stuhllehnen, dazu hauchdünne Nylonstrümpfe mit Diamentsplitternähten. Unter einem Stuhl stand ein Paar Schuhe mit echtem Blattgold.
Unten im Panzerschrank der Kurdirektion lagen für Karin ein Diadem und ein Diamantkollier bereit. Ein großer weißer Mercedes mit livriertem Chauffeur wartete vor dem Hoteleingang auf sie.
Die Kosmetikerin verdiente größeres Vertrauen, als in den ersten Minuten zu vermuten gewesen war. Karin merkte rasch, daß sie sich in geschickte Hände gegeben hatte. Wichtig war ihr, daß in jeder Hinsicht dezent an ihr gearbeitet wurde, zurückhaltend. Hätte die Kosmetikerin sich daran nicht gehalten, wäre ihr Karin sofort sozusagen in den Arm gefallen. Es bot sich jedoch kein Anlaß dazu. Und dennoch wollte Karin zum Schluß, als die Kosmetikerin erklärte, alles getan zu haben und fertig zu sein, mit dem, was ihr, Karin, aus dem Spiegel entgegenblickte, nicht zufrieden sein. Da stimmte etwas nicht. Aber was? Entweder fehlte irgend etwas – oder es war irgend etwas zuviel. Wohl letzteres.
Das bin ich nicht, dachte Karin, ihr Spiegelbild in Augenschein nehmend. Mitten in diese Musterung hinein klopfte es. Fragend schaute die Kosmetikerin Karin an, und diese nickte zustimmend. Durch die von der Kosmetikerin geöffnete Tür stürmten zwei aufgeregte junge Männer – ein Reporterteam. Der eine von ihnen ließ sich gleich an der Schwelle auf ein Knie nieder und machte mit Blitzlicht und riesenhafter Kamera zwei, drei Aufnahmen von der neuen ›Miß Nickeroog‹, deren Filmstartag begonnen hatte. Der andere des Zweigespanns war der Texter. Beide kamen von der Redaktion der kleinen, sich aber sehr wichtig nehmenden Insel-Zeitung. Der Texter fragte nicht lange, trat näher, zog einen Stuhl heran und setzte sich ohne Aufforderung Karin gegenüber.
»Sie lassen uns auch leben, das ist nett von Ihnen«, sagte er und zog einen Notizblock nebst Kugelschreiber aus seiner Tasche. »Ich danke Ihnen, Sie werfen uns nicht hinaus, vielen Dank.«
So wird man von der Presse überfahren.
»Wer sind Sie denn?« fragte Karin.
Der Reporter sagte es ihr. Erbitterten Tones fügte er hinzu: »Die Großen in Hamburg haben uns ja schon wieder die Butter vom Brot gestohlen. Weiß der Teufel, wie die das in dieser Geschwindigkeit immer machen. Große Hexerei, muß ich schon sagen. Deshalb wären wir Ihnen dankbar, wenn wir von Ihnen ein bißchen was kriegen würden, was die
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