Der verhängnisvolle Urlaub
war er ganz naß.
Jupp Krahn, der Alte, blickte düster.
»Na?« fragte er.
»Ich soll die holen, Vater«, antwortete der Junge deprimierten Tones.
»Das weiß ich. Der Fabrici hat mich inzwischen schon angerufen. Was mich interessiert, ist, ob es stimmt, daß du darauf eingegangen bist.«
»In gewisser Weise schon, Vater.«
»In gewisser Weise?«
Peter nickte.
»Mensch«, regte sich der Alte auf, »was heißt das? Ich will's klipp und klar wissen – ja oder nein?«
»Ja.«
»Na also.«
»Aber das bedeutet nichts, Vater«, sagte der Junge rasch.
»Warum bedeutet das nichts?«
»Ich habe ja noch nicht einmal die Adresse von der. Der Fabrici hat vergessen, sie mir zu geben, und ich werde ihn nicht mehr danach fragen.«
»Das rettet dich nicht, Junge.«
»Wieso nicht?«
»Die Adresse hast du schon. Er hat sie mir am Telefon durchgegeben, eben weil er vergessen hatte, sie dir zu nennen.«
Es stimmte also das, was Jupp Krahn gesagt hatte – ›Das rettet dich nicht, Junge.‹
Der Kelch ›Nickeroog‹ würde an seinem Sohn nicht vorübergehen, das stand fest.
Karin Fabrici lag in ihrem Bett und hatte die erste Prozedur ihres vierundzwanzigstündigen Filmstarlebens schon hinter sich. Nach dem Bad hatte sich eine Masseuse ihrer angenommen, von der sie unter Zuhilfenahme wohlriechender Öle richtig durchgewalkt worden war, und vor kurzem erst waren zwei eifrige junge Mädchen – eine Maniküre und eine Pediküre, angesetzt auf Karins Finger- und Zehennägel – aus dem Zimmer gegangen, um einer Diplomkosmetikerin das Feld freizugeben. Letztere hatte noch etwas auf sich warten lassen. Karin hatte die Gelegenheit dazu benutzt, ihren Morgenrock, unter dem sie nur Slip und BH trug, abzustreifen und für ein paar Minuten noch einmal ins Bett zu schlüpfen, um sich ein bißchen von ihrer durch die ungewohnte Massage hervorgerufenen Erschöpfung zu erholen. Rasch war sie eingeschlafen und hatte einen Traum. Der Traum knüpfte an tatsächlich Erlebtes am Abend zuvor an.
Karin stand auf ihrem Balkon im Mondschein und sah hinab auf das leuchtende Meer, auf das sich küssende Liebespaar in den Dünen, auf die Körbe und Burgen, Wimpel und die erloschenen Lampions. Soweit die Wirklichkeit, mit welcher Karins nunmehriger Traum übereinstimmte. Dann aber trennte sich letzterer von der Realität und versetzte die schlafende Karin in eine Wunschwelt.
Ein leichter Geruch nach einer Zigarette wehte um die Ecke der Trennwand des Balkonabschnitts Karins. Und bevor Karin noch wußte, ob sie wieder ins Zimmer zurückgehen oder weiter den Abend in seiner Stille genießen sollte, sagte eine ach so bekannte Stimme hinter der Trennwand: ›Die Welt ist herrlich.‹
›Ja‹, antwortete Karin mit verstellter Stimme, um nicht erkannt zu werden. In Gedanken setzte sie hinzu: Ja, das ist sie, Walter.
›Sie kann aber auch sehr grausam sein‹, fuhr er fort.
›Ja.‹
›Der Mond ist schön.‹
›Wunderbar.‹
›Aber nur von ferne.‹
›Man muß sich ihm nicht nähern.‹
›Seine Ähnlichkeit mit mancher Frau ist groß.‹
›Das verstehe ich nicht‹, erwiderte Karin.
›Dann will ich es Ihnen erklären. Gewisse Frauen sind schön, aber kalt – wie der Mond; kalt, wenn man ihnen näherkommt.‹
›Sprechen Sie aus Erfahrung?‹
›Ja.‹
Er sagte dies sehr traurig. Die träumende Karin hatte sich das so gewünscht; ihr Wunsch war also in Erfüllung gegangen.
›Sie scheinen darunter zu leiden‹, fuhr sie fort. Nach wie vor verstellte sie dabei ihre Stimme.
Er seufzte schwer. Das sagte mehr als Worte.
›Weiß denn die Dame das?‹ fragte Karin.
›Nein.‹
›Warum nicht?‹
›Weil ich es ihr nicht verraten habe.‹
›Dann müssen Sie das tun. Daraus gewänne die Dame nämlich die entscheidende Einsicht.‹
›Welche entscheidende Einsicht?‹
›Daß Sie sie lieben.‹
Er antwortete nicht. Karin erschrak.
›Oder lieben Sie sie nicht?‹ fragte sie bang.
›Doch.‹
Karin lachte glücklich und unvorsichtig.
›Sie kommen mir bekannt vor‹, sagte er prompt. ›Wer sind Sie?‹
Karin schlüpfte in ihre Rolle zurück, sie erwiderte mit fremder Stimme: ›Sie irren sich, wir haben uns noch nie gesehen.‹
›Ich weiß nicht, ich …‹
›Sie können sicher sein, wir sind uns noch nie begegnet‹, untermauerte Karin ihre Lüge, die auch ihr Gewissen im Traum nicht im geringsten belastete.
›Und wenn ich Ihnen vorschlage, das zu ändern?‹ fragte er.
›Was zu ändern?‹ erwiderte
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