Der Verhandlungs-Profi
oder den Verhandlungsgegenstand zu haben, ist ausreichend dafür, den Erstvorschlag einzufordern. Dadurch werden Sie mehr Information erhalten, vor allem über die Verhandlungszone Ihres Verhandlungspartners.
Wenn Sie über zu wenig Information verfügen, ist das Abgeben eines ersten Vorschlags riskant. Ist Ihr Erstvorschlag nämlich zu niedrig, verringern Sie Ihren Anteil am Verhandlungsergebnis maßgeblich. Ist Ihr Vorschlag allerdings zu hoch, verringert das die Chance, überhaupt zu einer Einigung in der Verhandlung zu kommen. Die große Herausforderung ist also, zwischen diesen beiden Strategien zu entscheiden: Geben Sie den ersten Vorschlag ab oder holen Sie den ersten Vorschlag ein? Engarde-erfahrene Verhandler wissen aufgrund der intensiven Vorbereitung mit dem ESP und dem Verlauf der Phase „Klären“, welche der beiden Möglichkeiten sie wählen.
Es kann sich manchmal auch auszahlen, trotz eines hohen Informationsstands dem anderen den Erstvorschlag zu überlassen, denn es passiert immer wieder, dass man durch einen unerwartet niedrigen Erstvorschlag überrascht wird. Möglicherweise offeriert Ihr Verhandlungspartner viel mehr, als Sie erwartet haben, oder der Preis eines Gutes ist wesentlich niedriger, als Sie dachten. In beiden Fällen kommen Sie unvermutet zu einem exzellenten Verhandlungsergebnis. Machen Sie selbst den Erstvorschlag, riskieren Sie, dass dieser höher ist als die Erwartung des Verhandlungspartners, und somit würden Sie Geld auf dem Tisch liegen lassen.
Wenn Sie also die Vermutung haben, Ihr Verhandlungspartner könnte einen niedrigeren Erstvorschlag anbringen, als es vielleicht vernünftig wäre, versuchen Sie es und lassen Sie ihn eröffnen. Sie haben ja dann immer noch die Möglichkeit, mit einem aggressiven Gegenvorschlag zu kontern.
Diese Praktik können Sie zum Beispiel in der nächsten Gehaltsverhandlung anwenden. Ist Ihr Informationsstand zu niedrig und wissen Sie zum Beispiel nicht, wie die Gehaltspolitik der Firma insgesamt aussieht oder was Kollegen mit vergleichbarer Qualifikation bekommen, fordern Sie von Ihrem Chef einen Erstvorschlag ein. Statt „Ich möchte pro Jahr 10.000 Euro mehr“ könnten Sie sagen:
Was können Sie mir anbieten?
Möglicherweise kommt er Ihnen entgegen und nennt gleich zu Beginn 13.000 Euro, dann können Sie immer noch mit 15.000 kontern. Wenn Sie aber zum Beispiel mit 10.000 eröffnen, handelt er sie wahrscheinlich auf 5.000 herunter.
Wie soll der erste Vorschlag lauten?
Das hat mit Ihrem Verhandlungsstil zu tun, über den wir bereits diskutiert haben. Sind Sie eher kooperativ oder sind Sie eher kompetitiv? Entsprechend wird auch Ihr Erstvorschlag aussehen. Entscheidend ist aber vor allem die Art der Verhandlung: Geht es um eine Transaktion, einen Konflikt, eine Beziehung?
Auch taktische Überlegungen spielen hier eine Rolle. Sie können zum Beispiel mit einem aggressiven Erstvorschlag eröffnen und Ihre Position dann mit der Zeit aufweichen, um Kooperationsbereitschaft zu zeigen, oder umgekehrt mit einem eher niedrigen Vorschlag starten, aber kaum von Ihrer Position abrücken.
Klar ist: Der Erstvorschlag hat enormen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Verhandlung. Wir beschäftigen uns im Anschluss mit den drei empfehlenswertesten Arten des Erstvorschlags: dem aggressiven, dem optimistischen und dem moderaten Vorschlag. Vorher kommen wir aber noch zum Thema „Verhandlungszone“. Diese entsteht aus den Erstvorschlägen und ist die Voraussetzung für eine spätere Vereinbarung.
Die Verhandlungszone
Die Verhandlungszone definiert die Bandbreite einer möglichen, beidseitigen Übereinstimmung zwischen zwei Parteien in einer Verhandlung. Innerhalb dieser Zone ist ein positiver Verhandlungsabschluss möglich, außerhalb dieser Zone werden auch die härtesten Verhandlungen zu keinem positiven Ergebnis führen. Die Verhandlungszone schafft die Grundlage für die weitere Verhandlung.
Beispiel
A will eine Vertriebskooperation mit B bilden.
A will maximal 10 Prozent Provision zahlen, B will aber mindestens 20 Prozent Provision erhalten. Hier gibt es noch keine Verhandlungszone, es wird keine Übereinstimmung erzielt werden.
Wenn A maximal 20 Prozent zahlen würde und B minimal 10 Prozent haben möchte, gäbe es bereits eine Verhandlungszone. Je nach Verhandlungsgeschick wird die vereinbarte Provision zwischen 10 und 20 Prozent liegen.
Es kann durchaus eine Weile dauern, bis eine Verhandlungszone gefunden wird. Je besser Sie in den
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