Der Verhandlungs-Profi
oder Deutschland ist diese Autoritätshörigkeit aber sehr stark ausgeprägt. Bis zu einem gewissen Punkt ist das natürlich auch wichtig und gut so, denn ansonsten würden wir ständig alles hinterfragen, was uns Regierungen und Vorgesetzte vorgeben, was das soziale Zusammenleben unmöglich machen würde. Autoritäten sind natürlich auch gefragt, denn wer hört nicht gern auf die Autorität im Gesundheitswesen, in der Medizin, im Finanzwesen oder in ähnlichen komplexen Bereichen, in denen wir selbst oft wenig oder kein Wissen haben.
In Verhandlungen allerdings kann diese Neigung problematisch werden. Probleme für uns ergeben sich dann, wenn uns Verhandlungspartner mit unerwarteter Autorität gegenübertreten oder konfrontieren und uns eine mögliche Unterwürfigkeit dazu bringt, von eigenen Standpunkten abzurücken, nur um keinen Konflikt mit der Autorität zu riskieren. Das sind oft Menschen, die Ihnen entweder direkt vorgesetzt sind oder die auf der Seite Ihrer Verhandlungspartner einen außergewöhnlich hohen Rang in der Hierarchie bekleiden, also zum Beispiel Vorstandsdirektoren, oder Personen, die auf ihrem Gebiet als Experten bekannt und allgemein akzeptiert sind. Vergessen Sie beim Verhandeln mit solchen Menschen nie, dass es eben auch nur Menschen sind, die sich genauso irren wie andere und die ihre Meinung oft nur deshalb mit Nachdruck vertreten können, weil sie das Mäntelchen der Autorität umgehängt haben. Übrigens dürfen Sie gern auch mich dazu zählen, denn nur weil ich der Autor dieses Buchs bin, heißt das nicht, dass ich erstens alles weiß und mich zweitens nie irre. Hinterfragen Sie kritisch, was Sie lesen, adaptieren Sie es für Ihre Bedürfnisse oder lehnen Sie es ab, wenn es nicht zu Ihrem persönlichen Stil passt. Aber machen Sie bitte eines nicht, nämlich alles kommentarlos hinzunehmen.
In vielen Berufszweigen ist diese natürliche Unterwerfung unter die Autorität aber nicht unkritisch zu sehen. Nur weil jemand einen weißen Mantel trägt, bedeutet das nicht, dass er automatisch mit jeder Diagnose recht hat und weiß, was für Sie das Beste ist. Eine ähnliche Wirkung auf uns haben Menschen, die Uniformen tragen. Uniformen werden automatisch mit dem Gesetz in Verbindung gebracht, und kaum jemand hinterfragt, was uniformierte Menschen sagen, geschweige denn argumentiert dagegen.
Wenn Sie selbst über hohe Autorität verfügen, müssen Sie sich dieser Wirkung Ihrer Person auf andere aber ebenfalls bewusst sein, denn es nimmt Ihnen vielleicht auch die Chance, andere Meinungen und Gegenstandpunkte zu hören, die für Ihre eigene Entscheidung hilfreich sein könnten.
TIPP
Ist die Autorität wirklich eine?
Prüfen Sie immer die Relevanz einer Autoritätsperson für Sie selbst und lassen Sie sich nicht einschüchtern.
Zusätzliche Taktiken in Phase 3, Vorschlagen
Verhandlungszone ausdehnen
Bringen Sie einen aggressiven Vorschlag an, um die Verhandlungszone Ihres Gegenübers auszuloten.
Risiko: Gleiche Reaktion auf der Gegenseite, Beleidigung.
Druck
Machen Sie beim Anbringen eines Vorschlags unmissverständlich klar, dass darüber gar nicht diskutiert werden muss.
Risiko: Der Druck ist zu hoch, das Gegenüber wehrt ab oder bricht die Verhandlung ab.
Seriosität bezweifeln
Reagieren Sie auf einen Vorschlag mit:
Ist das wirklich Ihr Ernst?
Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder?
Risiko: Ihr Gegenüber bleibt stur in einer „Jetzt erst recht“-Haltung.
„Angenommen“-Frage
Angenommen, ich stimme Ihrem Vorschlag zu, was würde ich dann dafür bekommen?
Oder:
Angenommen, ich lasse mich darauf ein, würden Sie dann XY für mich tun?
Wichtig: Bleiben Sie hier immer im Konjunktiv, um nicht verbindlich zu sein.
Risiko: Das Gegenüber steigt nicht darauf ein oder wendet die Taktik selbst an.
Ultima Ratio
Zögern Sie Ihren eigenen Vorschlag ewig hinaus, lassen Sie den Verhandlungspartner mit seinen Vorschlägen auflaufen. Kurz vor Zeitablauf oder Scheitern der Verhandlung bringen Sie den eigenen „Super-Lösungsvorschlag“.
Risiko: Ihre Taktik wird durchschaut, was die Atmosphäre schädigen und sogar zum Abbruch führen kann.
Ihr 10-Punkte-Check für die Phase 3 – Vorschlagen
1
Prüfen Sie genau, wer den Erstvorschlag machen soll (Stand der Information)
2
Setzen Sie hoch an und nutzen Sie den Ankereffekt
3
Versuchen Sie, integrativ zu verhandeln
4
Gegenvorschläge nicht sofort akzeptieren oder ablehnen
5
Sichern Sie Ihre Vorschläge durch Argumente ab
6
Feilschen Sie nicht zu
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