Der Verhandlungs-Profi
verhandeln?
Selbstverständlich geht das. Viele dieser Regeln und Normen werden nämlich ganz einfach vorgeschoben, um eine Diskussion darüber im Keim zu ersticken. Je nachdem, in welcher Situation Sie sich in der Verhandlung befinden, rate ich Ihnen zu folgender Vorgangsweise:
Sie werden mit einer Regel oder einer Norm konfrontiert
Wenn Sie Ihre Hausaufgaben vor der Verhandlung gemacht und in der Phase „Vorbereiten“ intensiv gearbeitet haben, dann müssten Sie ohnehin auf jede mögliche Regel oder Norm gestoßen sein, die zu diesem Verhandlungsthema relevant ist. Seien es die aktuellen Zinssätze, die Standardprovision für Makler oder die handelsüblichen Aufschläge. Aber Vorsicht: Alles, was hier als Standard oder handelsüblich erscheint, ist natürlich zu verhandeln. Man muss sich nur trauen, es anzusprechen. Diese Standards erfüllen vor allem die Funktion der Orientierung für Käufer und Verkäufer und sind nichts anderes als ein Referenzpunkt, der in die eine oder andere Richtung verschoben werden kann.
Das Einbringen von Regeln in Verhandlungen beherrschen bereits Kinder, wenn sie darauf bestehen, als Erster mit der neuen Playstation spielen zu dürfen, weil sie der Ältere sind, zuerst gefragt haben oder am Wochenende geholfen haben, die Küche aufzuräumen. Im Geschäftsleben heißen diese Regeln dann „Return on Invest“, „Benchmark“, „Profitabilität“, „Effizienzkoeffizient“ oder „branchenübliche Kennzahlen“. Identifizieren Sie diese Regeln und Normen, hinterfragen Sie sie und machen Sie Gegenvorschläge. Wenn Ihr Bankbetreuer Sie mit 3 Prozent Aufschlag konfrontiert, dann sagen Sie ihm, das sei zu hoch, Sie hätten gern 1 Prozent Aufschlag. Natürlich werden Sie Ihre Argumentation mit einer Recherche in Fachzeitschriften oder im Internet untermauern, welche besagt, dass es Banken gibt, die geringere Aufschläge bieten. So machen Sie aus meist kommentarlos akzeptierten Fakten Variable in Ihrer Verhandlung.
Sie bringen Regeln und Standards in die Verhandlung ein
Überlegen Sie sich in Ihrer Vorbereitungsphase: Welche Regeln, Normen und Standards unterstützen Ihre Argumentation und Position? Verwenden Sie diese zum richtigen Zeitpunkt und ganz selbstverständlich, das sichert Ihre Argumentation ab und nutzt den oben beschriebenen Effekt. Schließlich ist es ja nicht Ihre Idee, 5 Prozent Aufschlag zu verlangen, es ist eben branchenüblich. Und auch, wenn Ihr Verhandlungspartner perfekt über die greifenden Standards und Regeln informiert ist, werden Sie immer noch in der Lage sein, nun kompetent und sachlich darüber zu diskutieren. Daher: Suchen Sie nach supportiven Regeln, Standards und Normen, die möglichst überzeugend und unterstützend zu Ihrer Verhandlungsposition sind.
TIPP
Nutzen Sie dieselben Normen wie Ihr Verhandlungspartner – aber aus Ihrer Sicht!
Beispiel: „Herr Meier, ich verstehe, dass Sie Ihre Berechnung auf den Dreijahresindex stützen. Ich bevorzuge allerdings den Fünfjahresindex, weil er eine verlässlichere Vergleichszahl liefert.“
Wenn Sie selbst Regeln, Normen und Standards ins Spiel bringen, und Sie merken, dass Ihr Gesprächspartner diese nicht gleich akzeptiert oder sogar ablehnt, dann versuchen Sie, eine Person aus seinem Verhandlungsteam zur Zustimmung zu bewegen. Haben Sie das Gefühl, der Verhandlungsassistent oder ein Spezialist des anderen Verhandlungsteams stimmt mit Ihren Normen und Regeln überein, sprechen Sie diesen damit an und holen Sie sich von ihm Zustimmung. Das wird es dem Verhandlungsführer schwerer machen, Ihre Regeln abzulehnen beziehungsweise zu bezweifeln.
Die Kraft der Beweisführung
Erinnern Sie sich an die ABB-Methode? Die angehängte Beweisführung verstärkt die Argumentation. Beweise in Verhandlungen haben einen großen Vorteil: Sie werden rasch akzeptiert und kaum angezweifelt. Die Frage ist: Was gilt als Beweis und was wird als Beweis akzeptiert? Grundsätzlich gilt: Nicht alles, was als Beweis angeführt wird, ist auch ein Beweis.
Spitzen Sie Ihre Ohren, machen Sie Ihre Augen auf. Gerade gute Verhandler nutzen die Kraft der Beweisführung, weil sie wissen, dass sie damit Widerspruch im Keim ersticken können – auch wenn es sich um selbstgestrickte oder gar nicht zulässige Beweise handelt. (Zum Glück müssen wir kaum oder selten mit Richtern verhandeln; diese sind wesentlich strikter, was den Umgang mit Beweisen angeht, und würden die wenigsten Beweise, die in Businessverhandlungen auf dem Tisch
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