Der Verhandlungs-Profi
letzten Forderung: „Bei Terminüberschreitung wird für jeden Tag, der nach dem Termin liegt, eine Pönale in Höhe von X Euro fällig.“
Der Generalunternehmer, der solche Forderungen natürlich auch von anderen Projekten kannte, war deshalb besonders überrascht, weil Pönalen in diesen Verhandlungen bis zu diesem Tag noch nie ein Thema waren. Er hatte nun folgende Möglichkeiten:
die Forderung zu akzeptieren und zu hoffen, dass alles rechtzeitig fertig wird (was bei Bauprojekten natürlich ein gewisses Risiko darstellt);
abzulehnen und zu hoffen, dass der Deal trotzdem durchgeht;
zu versuchen, die Forderung zu senken, zu halbieren, auf jeden Fall aber zu verhandeln.
Der Generalunternehmer entschloss sich, mehr über die Hintergründe dieser Forderung herauszufinden. Er fragte den Investor also nach seinen Gründen. Dieser erwiderte, das Risiko einer Verzögerung sei für ihn extrem groß. Eine solche würde ihn ein Vermögen kosten, denn er hätte bereits Mietverträge abgeschlossen mit Mietern, die ebenfalls auf Pönalen bestünden.
Nun verstand der Auftragnehmer das Interesse hinter der Forderung des Investors. Er schlug vor, die Forderung zu erfüllen, im Gegenzug aber bei früherer Fertigstellung seinerseits einen Honoraraufschlag in einer bestimmten Höhe zu erhalten.
Der Investor war einverstanden, der Vertrag wurde adaptiert, und somit waren beide Seiten abgesichert. Der Auftragnehmer hatte dazu noch die Möglichkeit erhalten, mehr bei diesem Geschäft zu verdienen.
Eine Lösung wie diese kann nur zustande kommen, wenn Sie sich auf die Interessen der Verhandlungspartner konzentrieren, wie auch bereits zur Phase 2, „Klären“, ausführlich beschrieben. Die Frage, die Sie sich bei Forderungen Ihrer Verhandlungspartner also stellen sollten, ist nicht: „Wie kann ich diese Forderung aus dem Weg räumen oder umgehen?“, sondern:
Weshalb stellt er mir diese Forderung?
Welche Interessen könnten hier dahinterliegen?
Wie kann ich diese Information nützen, um selbst ein besseres Ergebnis zu erzielen?
TIPP
Geben Sie Ihrem Verhandlungspartner, was er will – aber zu Ihren Konditionen.
Give & Take – keine Forderung ohne Gegenforderung
„Give & Take “ – Geben und Nehmen – folgt der gesellschaftlichen Norm der Reziprozität: Sobald man etwas von jemandem erhält, will man diesem auch etwas zurückgeben. Psychologisch basiert dies auf der Austauschtheorie, die in so gut wie jedem Gesellschaftssystem der Welt zu finden ist.
In der Verhandlung beruht die Reziprozität darauf, dass Menschen eine Verpflichtung zur Gegenleistung fühlen, wenn ihnen jemand etwas zur Verfügung gestellt hat, was einen gewissen Wert hat. Diese moralische Verpflichtung hat eine enorme Kraft (und sie wird natürlich auch häufig ausgenutzt, indem jemand sich das Gefühl der Schuldigkeit anderer zunutze macht).
Ich persönlich halte Give & Take für eines der wichtigsten Prinzipien im Verhandeln überhaupt, und ich konnte bei vielen Menschen, die dieses Prinzip in der Praxis erstmals angewendet haben, beobachten, dass es sie sofort zu wesentlich besseren Verhandlungserfolgen geführt hat.
Geben Sie nie etwas, ohne etwas dafür zu verlangen
Achten Sie darauf, dass Sie um des Gebens und Nehmens willen nicht große Dinge weggeben und nur kleine Dinge dafür bekommen. Das Give & Take sollte immer ausgewogen sein.
Von der Art der Beziehung in der Verhandlung und Ihres eigenen Verhandlungsstils hängt auch die Formulierung Ihres Give & Take ab: Je kompetitiver die Verhandlung ist, umso härter können die Forderungen sein:
Nur wenn Sie mir A geben, bekommen Sie auch B.
Spielt aber die Beziehung eine große Rolle, formulieren Sie es entsprechend weicher:
Ich verstehe den Wunsch nach A, und es ist mir auch sehr wichtig, Ihre Interessen zu erfüllen. Daher schlage ich vor, Sie kommen mir beim Punkt B entgegen, dann wäre ich bereit, den Punkt A zu Ihren Gunsten zu entscheiden.
So stellen Sie sicher, dass Sie ohne Konfrontation dennoch bekommen, was Sie wollen, und die Beziehung intakt bleibt.
Werten Sie jedes Zugeständnis auf
In Verhandlungen kann es aufgrund der Reziprozitätsregel geschehen, dass eine Verhandlungspartei sich geradezu unwohl fühlt, wenn sie ein zu hohes Zugeständnis oder, wie sie selbst vielleicht meint, Geschenk der anderen Verhandlungspartei erhält. Sofort meint sie, dem Verhandlungspartner etwas schuldig zu sein.
Versuche haben gezeigt, dass diese Reziprozität nicht auftritt, wenn die
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