Der Verhandlungs-Profi
größer, stärker, mächtiger als ihre Kinder. Nichtsdestotrotz sitzen oft die Kinder am längeren Hebel, vor allem, wenn sie etwas verweigern und dabei derart auf stur schalten, dass sie mit normalen Argumenten nicht mehr zu bewegen oder umzustimmen sind. In solchen Situationen ist Macht also wertlos.
Zurück zum Mitarbeiter, den Sie für Ihr Projekt brauchen: Was würden Sie an dieser Stelle tun? Ihm mit Entlassung drohen? Seinen Bonus streichen? Oder anderes? Sicher, das wäre sehr einfach. Aber auch sehr riskant. Denn Ihre Chancen auf seine Mitarbeit würden damit noch weiter sinken. Und Sie würden einen sehr hohen Preis für Ihre Drohung bezahlen, denn wer weiß, vielleicht würde er sogar an den beiden Abenden bleiben. Aber würde er wirklich gut und gewissenhaft arbeiten? Würde er das Projekt wirklich in der vorgegebenen Zeit abwickeln? Oder würde er einfach nur anwesend sein?
Um in so einem Fall zu einer Lösung zu kommen, müssen Sie unbedingt herausfinden, was für Ihren Mitarbeiter – oder jeden anderen Verhandlungspartner – attraktiv ist. Sie haben keine andere Wahl, als den Hebel des anderen zu akzeptieren und Ihre Argumentation in eine Richtung zu bringen, die seine Interessen stark berücksichtigt. In unserem Beispielfall könnten Sie dem Mitarbeiter eine Refundierung der Arbeitszeit als Zeitausgleich im Verhältnis 2 : 1, eine einmalige Sonderzahlung oder den Besuch eines Engarde-Verhandlungsseminars, welchen er sich schon lange wünscht, in Aussicht stellen.
Die Hebelwirkung hängt von der Wahrnehmung ab
Glaubt Ihr Verhandlungspartner, Sie sitzen ohnehin am längeren Ast, obwohl das vielleicht gar nicht den Tatsachen entspricht, dann profitieren Sie von seiner Wahrnehmung der Hebelwirkung, die allerdings faktisch nicht korrekt ist. Dasselbe kann natürlich Ihnen passieren. Wenn Sie denken, Ihr Verhandlungspartner sei ohnehin stärker, weil er mehr Geld zur Verfügung hat oder weil er in einer hierarchisch besseren Position ist, geben Sie bereits sehr früh die Chance auf den Einsatz eines Hebels weg.
Prüfen Sie daher immer, ob die von Ihnen vermuteten Machtverhältnisse oder potenziell einsetzbaren Hebel wirklich der Realität entsprechen oder ob sie dies bloß in Ihrer Wahrnehmung tun. In solchen Fällen müssten Sie mithilfe einiger vorsichtiger Fragen vorfühlen, ob die Verhältnisse in der Praxis tatsächlich so sind, wie Sie vermuten. Das geht am besten mit „Was wäre, wenn“-Fragen. Zum Beispiel:
Was wäre, wenn wir zu keiner Einigung kommen?
Oder:
Was wäre, wenn wir nicht binnen vier Tagen liefern können?
Die Antworten, die Sie auf „Was wäre, wenn“-Fragen bekommen, sind sehr wichtig und müssen unbedingt in Ihrer eigenen Argumentation berücksichtigt werden.
Der Plan B als Hebel
Übrigens ist auch ein Plan B ein hervorragender Hebel. Und zwar immer dann, wenn Ihr Verhandlungspartner über Ihren Plan B Bescheid weiß und auch daran glaubt, dass Sie diesen ohne Zögern umsetzen werden, und dadurch selbst einen Nachteil erhält. Dies könnte zum Beispiel dadurch geschehen, dass Sie das Geschäft mit seinem schärfsten Konkurrenten abschließen, was ihn in weiterer Folge in wettbewerbstechnische Schwierigkeiten mit diesem bringen könnte. Beachten Sie allerdings auch hier, den Plan B als Hebel einzusetzen und keinesfalls als Drohung.
Der soziale Hebel oder der Gruppendruck
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Businessmeeting und machen einen ungewöhnlichen Vorschlag, dem sich sofort drei, vier andere Kollegen anschließen. Mit jedem, der sich Ihrem Vorschlag anschließt, steigt der Druck auf diejenigen, die anderer Meinung sind. Es entsteht sozialer Druck. Diese Art Hebel lässt sich in Verhandlungen hervorragend nutzen, indem Sie Verbündete für sich gewinnen, die Ihre Position unterstützen und es dem Verhandlungspartner schwerer machen, seine eigene, differierende Meinung durchzusetzen.
Am besten ist natürlich, wenn Sie es schaffen, einen Verbündeten auf der Seite Ihres Verhandlungspartners zu finden. Das funktioniert immer dann gut, wenn Sie feststellen, dass Sie zu jemandem aus dem anderen Verhandlungsteam einen sehr guten Kontakt oder eine positive Beziehung haben. Richten Sie Argumente und Vorschläge an diese Person und holen Sie sich von dieser Person sichtbare Zustimmung, und der Druck auf den Verhandlungsführer wird steigen. Diese sehr subtile Methode funktioniert in der Praxis wunderbar, vor allem dann, wenn der Verhandlungsführer sehr stark auf
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