Der Verhandlungs-Profi
Mitte?
Sind beide Verhandlungspartner darauf bedacht, dass die jeweils andere Partei ihre Interessen erfüllt bekommt, ist der Abschluss nur noch ein logischer letzter Schritt. Doch Vorsicht! Gerade wenn die Beziehung gut ist, steigt die Gefahr, dass man, um rasch einen positiven Abschluss zu erreichen, am Ende noch Geld auf dem Tisch liegen lässt oder zugunsten eines positiven Klimas letzte Zugeständnisse verschenkt. Kooperative Verhandler sind hier besonders gefährdet.
Sehr beliebt ist die Treffen-wir-uns-in-der-Mitte-Strategie beziehungsweise der Kompromiss am Ende einer Verhandlung. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es klingt fair, das Bedürfnis nach Reziprozität wird erfüllt, es sieht nach Transparenz aus und Sie kommen rasch und schmerzlos zum Ende. Außerdem ist es nicht einfach, den Vorschlag „Treffen wir uns in der Mitte“ abzulehnen.
Gewiefte Verhandler bringen den Kompromissvorschlag genau dann auf den Tisch, wenn sie sicher sind, dass sie bei Annahme durch den Verhandlungspartner das größere Stück des Kuchens erhalten. Die Grundregeln des Verhandelns gelten jedoch auch in der Phase 5: keine zu schnellen Zusagen, keine zu raschen Zugeständnisse und anhaltende Konzentration auf die Fakten.
Seien Sie besonders dann vorsichtig, wenn bereits die Ausgangssituation unausgewogen war oder einer von Ihnen mehr an Vorleistung, Vorarbeit oder Ressourcen in die Verhandlung eingebracht hat als der andere. Auch wenn eine Partei mit einem aggressiven und die andere mit einem moderaten Erstvorschlag eröffnet hat, wäre ein Treffen in der Mitte deutlich zum Nachteil einer Partei. Passen Sie hier also unbedingt auf!
Gibt Ihr Verhandlungspartner sich amikal, pocht er am Ende der Verhandlung sehr auf Beziehung, Partnerschaft und Freundschaft, will er Sie verführen, seinem Vorschlag zum Treffen in der Mitte zuzustimmen? Schauen Sie sich in so einem Fall genau an, welche Art von Verhandlung es ist. Bei einer einmaligen Transaktion ist es nicht nötig, so stark auf die Beziehung zu achten, wie bei einer langfristigen Partnerschaft.
Stellt sich der Vorschlag, sich in der Mitte zu treffen, nach genauerer Überprüfung als nicht ganz fair heraus, sprechen Sie das so rasch wie möglich an und klären Sie Ihren Verhandlungspartner darüber auf, wie Sie die Sache sehen. Setzen Sie ans Ende dieser Aufklärung allerdings auch Ihren Vorschlag, wie eine Einigung erfolgen kann. So können Sie zum Beispiel das Treffen in der Mitte auch nur auf einen oder wenige Punkte eines Gesamtpakets anwenden. Damit zeigen Sie Ihre Bereitschaft zur Kooperation und können nun einzelne Punkte für sich optimieren.
Der Engarde-Double-Split erhöht Ihren Nutzen
In kompetitiven Verhandlungen oder bei Einmal-Transaktionen können Sie den Vorschlag „Treffen wir uns in der Mitte“ aggressiv erwidern, um für sich selbst am Ende noch Zusatznutzen zu kreieren: mit dem Engarde-Double-Split. Nehmen Sie den Vorschlag – und splitten Sie die Mitte ein zweites Mal.
Beispiel
Sie stehen am Ende der Verhandlung bei zwei Vorschlägen. Sie bieten 800 Euro für ein Produkt, Ihr Verhandlungspartner verlangt 900 und macht den Vorschlag: „Treffen wir uns in der Mitte. Bei 850.“ Greifen Sie diesen Vorschlag auf:
Okay, treffen wir uns in der Mitte: 825.
Obwohl der Double-Split augenscheinlich aggressiv ist und zu einem deutlichen Verlust auf der Gegenseite führt, funktioniert er sehr gut. Vor allem dann, wenn Sie ihn mit Nachdruck anwenden.
Wenn der Double-Split für den anderen nicht akzeptabel ist und er Nein sagt, haben Sie immer noch die Möglichkeit, zum Double-Split ein kleines Zugeständnis zu machen und auf jeden Fall positiver auszusteigen als mit dem reinen Kompromiss, der zuerst vorgeschlagen wurde.
Trotz der Vorteile, die diese Methode für Sie bringt: Wenden Sie den Double-Split wirklich nur in Fällen an, die den oben beschriebenen Voraussetzungen entsprechen, denn er birgt natürlich die Gefahr, die Beziehung zu gefährden oder einen Deal im letzten Moment zum Platzen zu bringen.
Verknappung treibt zu raschen Entscheidungen
Geschickte Verhandler schaffen es, den anderen spüren zu lassen: Wenn er das Geschäft nicht macht, macht es ein anderer. Vielleicht hat Ihr Gegenüber schon Angebote von weiteren Interessenten oder eine Warteliste. Oder er wird sogar zwischendurch von jemandem angerufen, der das Gut, zum Beispiel eine Immobilie, kaufen möchte. (Was durchaus auch ein Bluff sein kann.)
Durch diese Verknappung fürchtet
Weitere Kostenlose Bücher