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Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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der Leser aber staunen, erführe er, dass den Vorzugsaktien kein Stimmrecht zukommt. Das ist übrigens nicht automatisch so bei Vorzugsaktien – man muss ihnen das Stimmrecht extra entziehen. Ist das Hauslinie der KV: Die Ärzte, die sowieso nicht mitreden dürfen – kriegen sie die »Vorzugsaktien«? Sie hatten auch kein Stimmrecht, als die Firmenkonstruktion geplant wurde. Jedenfalls: Einen näheren Hinweis auf die Gründe für das »ohne Stimmrecht« schenkt man sich in der Pressemitteilung. Weiterhin wird Folgendes bekanntgegeben: »Alle Aktien lauten auf den Namen des Inhabers und können nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragen werden, um eine feindliche Übernahme der Gesellschaft auszuschließen. Die Ausgabe der Aktien wird derzeit vorbereitet.« Neue Fragen kommen auf:
     
    1. Wozu wird es auch jetzt noch, anlässlich dieser öffentlichen Rechtfertigung, unterlassen, auf die Höhe des Stammkapitals von 4,6 Millionen Euro hinzuweisen und darzulegen, woher das Geld stammt?
    2. Wozu um alles in der Welt gründet eine Körperschaft desöffentlichen Rechts eine Aktiengesellschaft, die sie dann vollständig zu verkaufen beabsichtigt, ohne dass sie selbst noch Anteilseigner ist? Wem dient das? Wer hat etwas davon?
    3. In Steigerung lässt sich fragen: Ist es der KV als Körperschaft öffentlichen Rechts – mithin als öffentlichem Treuhänder – erlaubt, ohne Wissen, wahrscheinlich sogar gegen den Mehrheitswillen der sie finanzierenden Vertragsärzteschaft, eine Tochtergesellschaft zu gründen, die sie dann auf Aktienbasis verkauft und die dann möglicherweise in Konkurrenz zu den Interessenverbänden der Ärzteschaft tritt oder gar zu deren Nachteil handelt? Handelt der Vorstand gar als »fünfte Kolonne« außenstehender Interessenten?
    4. Wie ist es um die staatliche Rechtsaufsicht bestellt, die es hinnimmt, dass der Vorstand der Gesellschaft allein und ohne Einwirkungsmöglichkeit der Vertragsärzteschaft bestimmt, an wen die Aktien verkauft werden. Ist es somit möglich, dass die Stammaktien dieser Gediselect GmbH & Co. KGaA auch an Kapitalgesellschaften wie »Healthways« oder »Kaiser Permanente« verkauft werden?
Nun wird es noch lustiger
     
    Die Gediselect GmbH & Co. KGaA wurde mit Beschluss vom 21. Februar 2008 umfirmiert in
Bonacur GmbH & Co. KGaA
. Zur Abwechslung mal in München statt in Buxtehude. Gewiss, der Name ist schöner. Oder ist das nun die Tarnung der Tarnung der Tarnung? Oder doch nur Muntes munteres Münchner Medizin-Mimikry, ein besonders abgefahrenes Hase-und-Igel-Spiel? Den Ernst der Sache erhellt eine »Hauptversammlung der Kommanditaktionäre«, die am 21. Februar 2008 vor einem Münchner Notar stattfand. Größere Räumlichkeiten waren nicht erforderlich, allerdings achtete man aufangenehmes Ambiente: In der Münchner Leopoldstraße 28a traf man sich. Die gewaltige Menge von 460 000 Aktien wurde vertreten von zwei jungen Damen der Jahrgänge 1981 und 1977. Sonja Froschauer war darunter, als Geschäftsführerin, und Stephanie Jahn; sie handelte für alle bayerischen Kassenärzte. Es kam zu einem gewichtigen Beschluss. So wurden aus 460 000 Aktien zu 10 Euro 46 000 Aktien zu 100 Euro.
    Es kommt nun noch seltsamer: Natürlich braucht so ein schöner Name wie »Bonacur« auch den Schutz der Wortmarke. Und das geht so. Man sagt der Sekretärin: »Jetzt rufen Sie mal bei einem Markenschützer an, und lassen Sie ›Bonacur‹ für die KV schützen!« Fertig ist die Laube! Tatsächlich hat die KV bis heute nichts dergleichen schützen lassen. Vielleicht hat der Chef zur Sekretärin gesagt: »Gehen Sie mal zum Friseur, ich mach das selber!« Und siehe da: Keine drei Wochen nach der Umfirmierung, nämlich mit Datum vom 5. März 2008, wurde der Name »Bonacur« beim Patentamt in München als Wortmarke angemeldet. Und endlich lese ich einmal die Namen von richtigen Menschen. Die Inhaber des wohlklingenden Markennamens sind jedem Arzt wohlvertraut. Es sind die drei Chefs, die wohl so nett waren, der Sekretärin die Arbeit abzunehmen: Dr. Axel Munte, Grünwald (Vorstandsvorsitzender der KVB, Facharzt), Dr. Gabriel Schmidt, Grünwald (Zweiter Vorsitzender der KVB, Hausarzt) und Rudolf Bittner, ebenfalls Grünwald (Dritter Vorsitzender, Psychotherapeut). Gibt’s da eine WG in »Grünwald«?
    Blicken wir mal genauer hin: Sofern drei Menschen in München-Grünwald im Frühjahr 2008 nicht an kollektiver Schizophrenie litten, so firmierten sie in ihrer Eigenschaft als
KV-Vorstände
eine KGaA

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