Der verkaufte Tod
sein Freund sei da.«
»Jawohl, Sir. Sein Freund.«
Dr. Kasba war erstaunt, Tawan in der Klinik zu sehen, da er wußte, daß Tawan den Ort, wo sein Aufstieg und Reichtum begonnen hatte, nie mehr betreten wollte. Das hatte seinen Grund nicht in der meisterlichen Operation, sondern in den Erinnerungen, wie man ihn durch das Pflegepersonal behandelt hatte. Die Krankenpfleger Randa und Dupur waren noch immer in Dr. Bandas Klinik beschäftigt und nach wie vor damit beauftragt, Organspender zu betreuen. Was Chandra Kashi an Spendern schickte, kam ausnahmslos aus den Slums oder von den Straßen, und so hatten Randa und Dupur einen ›Betreuungsstil‹ entwickelt, dessen Opfer auch Tawan geworden war.
»Es freut mich, daß du mich besuchst«, sagte Dr. Kasba. Er umarmte Tawan wie einen Bruder, ließ ihn dann los und drückte ihn eine Armlänge von sich weg. Dabei zogen sich seine Augenbrauen zusammen. Er riecht wieder nach Alkohol, dachte Tawan mitleidig. Es wird immer schlimmer mit ihm. Jetzt säuft er nicht mehr nur bei Vollmond, sondern hat jede Woche seinen Rausch. »Du siehst blaß aus. Direkt fahl! Fühlst du dich nicht wohl, Tawan?«
»Deshalb komme ich zu Ihnen, Doktor.« Tawan setzte sich auf die Untersuchungsliege und wischte sich über die Augen. »Ich bin in letzter Zeit müde und kraftlos. Ich könnte Tag und Nacht schlafen. Wenn ich mich jetzt hier hinlegen würde, ich garantiere: Ich würde sofort einschlafen. In mir ist keine Kraft mehr, verstehen Sie? Früher habe ich im Hafen Säcke und Kisten geschleppt, acht, zehn Stunden lang. Natürlich war ich dann erschöpft, aber nicht kraftlos, wenn Sie verstehen, was ich meine. Jetzt ist mir manchmal so, als habe man mir sämtliche Knochen gebrochen. Im Hafen –«
»Das ist drei Jahre her, Tawan. Dir bekommt das gute, satte Leben nicht. Du verweichlichst. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang – wer Geld zählt, schwingt keinen Vorschlaghammer mehr.«
»Ich habe jetzt sogar Angst, im Flughafen zu arbeiten. Ich habe Angst, daß ich zu langsam werde. Wenn ich in der Ankunftshalle stehe und warte, lehne ich mich gegen die Wand und könnte schlafen.« Tawan atmete seufzend auf. »Das hat doch mit Reichtum nichts zu tun.«
»Nein.«
»Ich bin krank!«
»Unsinn! Du hast in der letzten Zeit vielleicht zu viel getan, im Hotel, im Flughafen, in den Betten schöner Frauen. Auch du wirst älter.«
»Dreieinhalb Jahre.«
»Das ist eine Menge Zeit bei deinem hektischen Leben. Laß mal alles hinter dir und fahre mit Vinja in Erholung. Fliege nach Bali oder Thailand und lege dich drei Wochen faul ans Meer. Du wirst sehen, du kommst als ein neuer Mensch zurück.«
»Trotzdem möchte ich, daß Sie mich untersuchen, Doktor.«
»Wenn du unbedingt willst. Also, dann zieh dich aus.«
»Oberkörper?«
»Ganz. Ich muß einen Menschen ganz sehen. Da hat einer Schmerzen im Bein, aber die Ursache liegt im Nacken.«
Tawan zog sich aus und legte sich auf die Untersuchungsliege. Dr. Kasba begann ihn abzutasten. Die übliche Untersuchung. Druck auf die Galle, Druck auf die Leber, auf Blase und Magen, Blinddarm und Nieren. Dabei immer die Frage: »Tut's weh?« und immer die Antwort: »Nein.«
»Setz dich und heb beide Arme hoch«, sagte Dr. Kasba. Er begann, die Lymphbahnen abzutasten, und hielt in der linken Achselhöhle inne. Noch einmal überzeugte er sich und blickte dann Tawan fragend an. »Du hast links eine Lymphknotenschwellung und an der linken Halsseite auch.« Er drückte die Finger gegen die linke Halsseite. »Hast du Fieber gehabt?«
»Nein.«
»Eine Halsentzündung?«
»Nein.«
»Hustest du viel?«
»Nur ab und zu.«
»Ohne Grund?«
»Was heißt ohne Grund? Ich muß einfach husten.«
»Mit Auswurf?«
»Was heißt Auswurf?«
»Spuckst du dabei Schleim?«
»Nein.«
»Aber du hast eine Infektion in dir. Sonst wären deine Lymphknoten nicht geschwollen.«
Dr. Kasba blickte Tawan auch noch in den Hals, sah aber keinerlei Veränderungen. Ein Röntgenbild des Thoraxraumes war notwendig, um ein klareres Bild zu bekommen.
Tawan saß auf der Liege und wartete. »Ich bin also krank?« fragte er, als Dr. Kasba sich über die Lymphknoten Gedanken machte.
»Das weiß ich nicht. Auf jeden Fall werden wir von dir einige Röntgenbilder machen. Es sind genug Symptome vorhanden, die an eine stille Infektion denken lassen: Lymphknoten, Müdigkeit, Schwächegefühl. Wie ist es mit dem Appetit?«
»In letzter Zeit muß ich mich fast zum Essen
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