Der verkaufte Tod
»Jetzt muß du ausruhen, Ed«, sagte er leise. »Komm mit mir in die Bibliothek.«
»Ich muß noch etwas zu Lora sagen.« Burten befreite sich aus Dr. Salomons Griff. Er trat wieder ans Bett und blickte auf das gelöste, noch immer schöne Gesicht mit der wilden Haarpracht. »Lora«, sagte er mit seltsam fester Stimme, »ich verspreche dir eins: Was ich tun kann, deine Krankheit aufzuklären, das werde ich tun. Ich werde vorerst zehn Millionen Dollar in eine Stiftung zur Erforschung deiner Krankheit stecken und sie so lange aufstocken, bis ich Gewißheit habe, und wenn ich alles, was ich geschaffen habe, verliere. Mir ist das Leben ohne dich nichts mehr wert. Aber bevor ich abtrete, will ich wissen, was dich umgebracht hat. Das schwöre ich dir in dieser Stunde.«
»Weißt du, was du da sagst?« fragte Dr. Salomon gepreßt.
»Ja.«
»Du mußt Loras Körper zu Forschungszwecken zur Verfügung stellen. Es wird kein Grab für sie geben, wo du hingehen kannst.«
»Wozu braucht sie ein Grab? Was da in der Erde vergeht, ist nicht mehr Lora. Das sind Fleisch, Knochen und Sehnen. Aber ihr Körper kann vielleicht vielen Kranken helfen, die das gleiche unbekannte Leiden haben. Ich werde ihren Namen neben ihrem geliebten Pool in eine Marmorplatte meißeln lassen. Dann ist sie immer bei mir.«
Tawan hätte es tun können, wenn er ein romantischer Mensch gewesen wäre: sich jeden Tag vor den Spiegel zu stellen und zu sich selbst zu sagen: »Du bist ein Glücksmensch! Alles, was du anfaßt, gelingt dir. Du hast eine überflüssige Niere geopfert und dafür einen Schritt ins irdische Paradies getan. Tawan, du bist ein kluger Mensch gewesen!«
Der Neubau des Hotels Bambusgarten war fertiggestellt und das Hotel mit einem Galaabend eröffnet worden. Major Dakhin war genau so eingeladen wie Tawans Taxikompagnon Subhash, der Lehrer Dasnagar saß mit seiner Frau neben dem Staatsanwalt, Dr. Kasba tanzte mit der noch dicker gewordenen Sangra, und sogar den Studenten Shakir fand man unter den Gästen, allerdings in einem Smoking, den ihm Tawan gekauft hatte. Er zeigte an diesem Abend, daß er ein intelligenter Mann war trotz Sauferei und Hurerei; mit einer Eleganz und einem mitreißenden Charme empfing er in der Eingangshalle die Gäste, als habe er in internationalen Hotels gelernt.
Vinja, nun zehn Jahre alt, ein Alter, in dem andere Mädchen an ihre zukünftigen Ehemänner verkuppelt werden, war zu einer Schönheit herangewachsen. Jeder der Gäste bewunderte das Mädchen mit den langen schwarzen Haaren, den festen Brüsten, dem schlanken Körper und den langen Beinen. Sie trug ein tief dekolletiertes Abendkleid aus schwerer roter Seide. Wenn sie ging, merkte niemand mehr, daß ihr die Zehen des linken Fußes abgeschnitten worden waren; die maßgemachten Schuhe gaben Halt und ersetzten die fehlenden Glieder. Tawan war unendlich stolz auf seine Nichte, und auch Sangra benahm sich so, als sei Vinja ihre verspätete Tochter.
Während des ganzen Balls wurde Vinja von den jungen Männern belagert, und der Staatsanwalt sagte in einer Tanzpause zu Tawan: »Mein Sohn Radja ist hingerissen von Ihrer Nichte, Mr. Alipur. Wenn sich da etwas anspinnt, ich mache die Augen zu.«
Das war ein Satz, den Tawan mit Genuß hörte. Trotz des Hotels hatte er seine ›Börsengeschäfte‹ nicht aufgegeben. Jeden zweiten Tag stand er in den Hallen des Flughafens und wartete am Ausgang Subhash mit seinem Taxi; es lohnte sich immer, und die Dollars wanderten zur Punjab National Bank und verstärkten die ›stillen Reserven‹. Von ihnen wurden Major Dakhin und der Leiter des Bauamtes Usurpai bezahlt, und Tawan hoffte, daß, sollte er einmal geschnappt werden, alles zum Müll gekehrt wurde.
Aber nicht nur im Hotel investierte Tawan jeden Überschuß, er beteiligte sich auch am Hafen, kaufte eine marode Kranfirma auf und stieg in das Geschäft mit Containerladungen ein. Eine wahre Wonne war es für ihn, abseits, aus seinem Cadillac heraus, die Arbeiter zu beobachten, in deren Kolonne er einmal geschuftet hatte, und die Vorarbeiter brüllen zu hören, die ihn noch vor drei Jahren herumgejagt und beschimpft hatten. Jetzt war er ihr Chef, und er hätte sie hinauswerfen können, aber er war ein Mensch, der nichts nachtrug.
Im dritten Jahr seines unaufhaltsamen Aufstiegs ließ er sich von Subhash in seinem Cadillac zur Klinik Dr. Bandas fahren und sagte kühl zu der Empfangsschwester: »Dr. Kasba erwartet mich.«
»Ihr Name, Sir?«
»Sagen Sie Dr. Kasba,
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