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Der verkaufte Tod

Der verkaufte Tod

Titel: Der verkaufte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ausgeraubt?‹ habe ich sofort gefragt. Und er hat geantwortet: ›Ich mich selbst! Weißt du, was du wert bist? Die wenigsten Menschen wissen es. Hungern dahin, sterben in der Gosse, leben, um langsam zu sterben. Dabei könnten sie reich sein, alle könnten es – wir sind aus lauter Rupien zusammengesetzt. Du auch, Tawan! Man muß das nur wissen und ausnutzen. Ich verrate dir etwas, mein Freund, und in zwei Monaten kannst du im Peiping-Restaurant sitzen und Hummer essen. Paß mal auf!‹« Tawan sah den dicken Chandra Kashi mit glänzenden Augen an. »Und nun bin ich hier, Sahib. Sie können mich doch gebrauchen, nicht wahr?«
    »Das wird sich bei der Untersuchung herausstellen.« Chandra Kashi ließ seine Blicke wieder über Tawan gleiten, hinauf und hinab.
    Ein wohlwollender Blick, dachte Tawan glücklich.
    »Du willst also reich werden?«
    »So wie mein Freund, Sahib.«
    »Was hast du anzubieten?«
    »Das, was mein Freund auch verkauft hat.«
    »Und was war das?«
    »Eine Niere, Sahib. Eine ganz gesunde Niere. Sehen Sie mich an! Ich bin stark und kräftig wie ein Büffel.«
    »Auch ein Büffel kann Würmer haben.« Chandra Kashi winkte ab. »Man wird dich gleich untersuchen, Blut abnehmen und den Urin analysieren. Du kannst doch pinkeln?«
    »Ich habe draußen lange gewartet, es geht bestimmt, Sahib.« Tawan sah sich um. Von dem Raum gingen drei Türen in andere Räume. »Wo muß ich hin?«
    »Wir müssen uns erst über den Preis einigen.« Chandra Kashi klopfte mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte. »Ich zahle einen festen Tarif. Ein Handeln ist zwecklos. Eine Niere bringt dir dreißigtausend Rupien.«
    Tawan antwortete nicht. Ihm wurde plötzlich schwindelig. Einen Augenblick wurde es dunkel um ihn, als sei die Sonne ins Meer gefallen, aber dann wurde es wieder so hell, daß er die Augen schließen mußte. Dreißigtausend Rupien! Kann man sich das vorstellen, so viel Geld in der Hand zu haben? Für eine Niere plötzlich ein reicher Mann – Chandra hatte einen Witz gemacht, nur so war das zu erklären. Was verdiente der Vorarbeiter im Hafen, der immer so herumschrie und den alle fürchteten und vor dem sie sich duckten, nur um zwei Stunden Säcke oder Kisten schleppen zu können? Dreihundert Rupien, hatte man gesagt. Im Monat. Dreihundert, und alle beneideten ihn. Wie soll ich dann für eine Niere dreißigtausend – Chandra, verspotten Sie nicht einen so armen Menschen wie mich. »Dreißigtausend«, sagte Tawan gedehnt. »Sahib –«
    »Kein Handeln! Hier ist kein Bazar, sondern eine medizinische Institution. Ja oder nein?«
    »Ja, Sahib.« Tawan atmete tief durch. Es war wahr – er würde sich eine Wohnung leisten können, Vinja brauchte nicht mehr vor der Bank zu sitzen und ihren verstümmelten Fuß auszustellen, er könnte ihr sogar Spezialschuhe machen lassen, in denen man die Stümpfe verstecken und sie wie eine Gesunde laufen konnte. Und es gab keinen Hunger mehr, kein Durchwühlen der Abfallsäcke und Mülleimer, kein Lastentragen, bis das Rückgrat krachte – wie ein richtiger vornehmer Herr konnte er auf der Terrasse eines Cafés sitzen und dem Leben auf der Straße zuschauen. Was heißt ›wie‹? Er war ein vornehmer Herr, mit dreißigtausend Rupien in der Tasche. Nein, nicht in der Tasche, auf einem Konto der Punjab National Bank, an deren Hauswand er neun Jahre lang unter einem schrägen, niedrigen Holzdach und einer Plane gelebt hatte. Ein Bankkunde. Und den Direktor würde er anschnauzen, der seit neun Jahren versuchte, ihn von der Hauswand zu vertreiben. Sogar an das Dach hatte er einmal Feuer legen lassen, als Tawan am Fluß Arbeit suchte.
    »Die rechte zweite Tür«, sagte Chandra Kashi. »Wenn die Untersuchung gut ausfällt, machen wir einen Vertrag. Einverstanden?«
    »Einverstanden, Sahib.«
    »Hast du eine Frau, Kinder?«
    »Nein, nur eine Nichte, aber sie ist für mich wie mein Kind.«
    »Du kannst sie zu einer reichen Frau machen. Ich kaufe dir deinen ganzen Körper ab. Wir können alles gebrauchen: Augen, Ohren, Lunge, Herz, Leber, Milz, Darm – soll das nach deinem Tod alles in der Erde verfaulen, wenn du damit Menschenleben retten kannst? Wie jetzt mit deiner Niere? Überleg es dir.« Chandra Kashi zeigte mit dem Daumen zur rechten Tür. »Und jetzt zur Untersuchung.«
    Tawan war es, als schwebe er über den Fußboden. Kein Mensch weiß, wieviel er wert ist – du hattest recht, mein Freund. Aber ich weiß es jetzt. Dreißigtausend Rupien für eine Niere, und das ist erst der

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