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Der verkaufte Tod

Der verkaufte Tod

Titel: Der verkaufte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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– seit Wochen hatte sie kein Fleisch mehr gesehen. Wie eine kleine hungrige Katze fiel sie über die Schüssel her und schlang das Fleisch allein hinunter, und Tawan sah ihr glücklich zu und verzichtete auf seinen Anteil.
    Das alles geschah vor fünf Jahren. Aus der kleinen Vinja war nun ein auffallend hübsches Mädchen geworden mit langen, glatten schwarzen Haaren, ein Abbild ihrer schönen Mutter. Ihre Haut war glatt und hellbraun, und wenn es regnete und das Kleidchen naß an ihrem Körper klebte, sah man schon die kleinen Knospen wachsender Brüste.
    Die vergangenen fünf Jahre waren schwer für Tawan geworden. Er arbeitete weiter an den Ghats und nahm Vinja jeden Tag zum Fluß mit, baute mit gestohlenen Zaunlatten bei einem Sandhaufen einen großen Laufstall, in dem Vinja spielen konnte und wo sie kaum jemand bemerkte. Tawans Kollegen schenkten ihr ab und zu eine Scheibe Hammelwurst und ein Stück Ziegenkäse – es war für Vinja eine glückliche Zeit.
    Nur einmal gab es – abgesehen von den nie endenden Kämpfen gegen die Bankdirektoren, die einmal sogar sein Dach anzünden ließen, als er im Hafen arbeitete, aber der Polizeiposten selbst war es, der den Brand schnell löschte – bösen Ärger mit einem Bankkunden.
    Ein Europäer, ein feister Deutscher, wie sich später herausstellte, war vor Vinja stehengeblieben, musterte sie wie ein Metzger ein schlachtreifes Lamm und sagte dann auf englisch: »Ich schenke dir hundert Rupien, wenn du mit mir auf mein Zimmer kommst. Dein Fuß stört mich nicht, wenn du anderswo nicht verkrüppelt bist.«
    Bei aller Duldsamkeit, die ein Armer haben muß, das war Tawan zu viel. Er sprang unter seiner Plastikplane hervor, packte den Weißen an der Gurgel und schlug auf ihn ein.
    Der Deutsche, so feig wie er dick war, begann sofort laut zu schreien. »Überfall!« schrie er. »Überfall! Hilfe! Hilfe!«
    Es dauerte nur zwei Minuten, da rannten zwei Polizisten heran, schlugen mit ihren Schlagstöcken auf Tawan ein und schleppten ihn und den jammernden Deutschen zu einem um die Ecke parkenden Streifenwagen.
    Auf dem Polizeirevier wurde Tawan zunächst in einen fensterlosen Raum gesperrt, hockte sich an der Wand auf den Betonboden und wartete in der Finsternis auf sein Verhör. Der Polizei-Lieutenant war sein heimlicher Freund und Geschäftspartner; er würde diesen Vorfall bestimmt gerecht behandeln.
    Im Dienstzimmer hatte der Deutsche vor dem Lieutenant Platz genommen, hockte auf einem Stuhl, schwitzte, als habe er hundert kleine Quellen in der Haut, und brüllte den Polizeioffizier mit hochrotem Kopf an: »Überfallen hat er mich! Überfallen! Ich werde es meiner Botschaft melden, wie gefährdet ein Tourist in Ihrem Land ist! Und so einem Miststaat geben wir auch noch Entwicklungshilfe!«
    Das Gesicht des Lieutenant versteinerte sich. Aber er blieb höflich – ein fremder Gast muß vorsichtiger als andere behandelt werden. »Wie hat es angefangen?« fragte er.
    »Was heißt hier angefangen? Was soll die dämliche Frage? Er packte mich an der Gurgel und wollte mich erwürgen?«
    »Warum?«
    »Warum!« Die Stimme des Deutschen wurde jetzt schrill. »Was hat denn dieses Gesindel, dieser Abschaum, denn anderes im Sinn, als zu rauben und zu morden?«
    »Auf einer Straße wie der Brabourne Road wird niemand am hellen Tag überfallen.« Der Lieutenant sah den tobenden Weißen kühl an. »Außerdem sind Bankeingänge der sicherste Platz – sie werden bewacht.« Er beugte sich etwas vor und starrte den schweißüberzogenen Deutschen mit seinen schwarzen Augen an. »Was war vorher?«
    »Vorher? Ich wollte in die Bank und Geld wechseln.«
    »Und da fällt der Mann Sie einfach an?«
    »So war es.«
    »Wir werden nachher auch Tawan Alipur – so heißt er – verhören, und wenn er etwas anderes aussagt –«
    »Wem glauben Sie mehr: einem dreckigen Halunken oder einem Deutschen, der Ihr Land bereist, um es kennenzulernen? Was ich bisher gesehen habe, reicht mir! Ich werde es in Deutschland der Presse berichten.«
    »Wie hat es angefangen?« fragte der Lieutenant stur. Er hatte eine britische Polizeiakademie besucht und dort gelernt, höflich, aber unnachgiebig zu sein.
    »Angefangen?« Der Deutsche wischte sich über das Gesicht. »Das hat mit dem Überfall nichts zu tun. Das ist ein anderer Hut. Da saß auf der Straße, auf einer Decke, ein hübsches junges Mädchen und lachte mich an. Na ja, wenn das so ist, habe ich gedacht, wenn das dein Geschäft ist, warum nicht? Hundert

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