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Der verkaufte Tod

Der verkaufte Tod

Titel: Der verkaufte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Busfahrt und fuhr zu dem gelben Haus von Chandra Kashi. Wieder standen viele Menschen vor dem Schild ›Laboratory‹, voll Hoffnung, daß man einen Teil ihres Körpers abkaufte: Mädchen, junge Frauen, einige mit einem Säugling im Brusttuch, junge Männer und sogar zwei Alte. In aller Augen, in allen Gesichtern stand der Hunger, und ein fauliger Geruch umgab diese Menschenschlange, der Geruch der Slums.
    Tawan stellte sich nicht hinten an, sondern ging an den Wartenden vorbei und betrat das Haus, als sei es seine Wohnung.
    Im Vorraum saß wieder das Mädchen und stieß wie eine angreifende Kobra den Kopf vor, als Tawan so selbstverständlich eintrat. »Warten!« schrie sie. »Raus!«
    »Aber meine liebe Schwester, wir kennen uns doch! Ich bin Tawan Alipur, von dem Chandra Kashi eine Niere gekauft hat.«
    »Was willst du denn hier?« Die Kobra zeigte sich etwas weniger gereizt.
    »Ich möchte Herrn Kashi sprechen.«
    »Warum?«
    »Ich will ihn nur fragen, ob er meine Niere vergessen hat.«
    »Du Idiot! Bestimmt nicht.«
    »Und warum ist sie noch drin?«
    »Das mußt du Herrn Kashi fragen.«
    »Genau das will ich ja. Darum bin ich gekommen. Aber du schreist mich an und nennst mich Idiot. Frage Herrn Kashi, ob ich ihn sprechen kann.«
    Das Mädchen zögerte, griff dann zum Telefon und sprach ein paar Worte. Voller Staunen legte sie dann auf. »Du sollst tatsächlich zu ihm kommen«, sagte sie. »Er gibt noch ein Zeichen.«
    Tawan nickte stolz, lehnte sich an die Wand und wartete. Es dauerte nur wenige Minuten, da leuchtete am Telefon ein rotes Lämpchen auf.
    »Du kannst reingehen.« Das Mädchen deutete auf die rechte Tür. »Dort.«
    »Ich weiß.« Tawan stieß sich von der Wand ab. »Ich merke mir, wo ich einmal gewesen bin.«
    Chandra Kashi thronte dick und sichtbar zufrieden hinter seinem Schreibtisch. An seinen Händen blitzten Ringe mit großen Brillanten; sie zeigten jedem seinen Reichtum und seine Macht. »Tawan, du hast mir was zu sagen?« fragte er. Vor ihm auf dem Tisch lag Tawans Karteikarte mit allen Daten und Werten der Untersuchung des Labors.
    »Ja, Sahib. Ich wollte fragen: Warum habe ich noch meine Niere?«
    »Weil sich noch nicht der richtige Empfänger gemeldet hat.« Chandra Kashi überflog die Eintragungen und nickte dabei mehrmals. »Du hast eine seltene Blutgruppe, das ist es. Man kann nicht einfach eine Niere nehmen und woanders wieder einpflanzen – da sind viele Dinge, die zueinander passen müssen. Aber das kann ich dir nicht erklären, das verstehst du doch nicht. Du mußt warten.« Er sah zu Tawan hinauf und blickte in traurige Augen. »Brauchst du Geld?«
    »Von hundert Rupien kann man nicht ewig leben. Und das Geld, das man auf der Straße verdient, macht nicht satt.«
    »Kannst du dir keine andere Arbeit suchen?«
    »Ich habe ein Kind bei mir. Das Kind meiner Schwester. Ich bin der einzige, der sich um Vinja kümmern kann, nachdem ihre Mutter gestorben ist. Ein verkrüppeltes Kind. Jemand hat ihr mit einem Jahr alle Zehen des linken Fußes abgeschnitten.«
    Chandra Kashi beeindruckte das gar nicht. Es gab so viel Elend um ihn herum, daß er schon gar nicht mehr die Sterbenden sah, die auf der Straße lagen. Dennoch griff er in die Schublade seines Schreibtisches, wo neben einer durchgeladenen Pistole auch ein Haufen Geldscheine lag, und warf zweihundert Rupien auf die Tischplatte. »Gib sie langsam aus, Tawan«, sagte er dabei. »Es kann lange dauern, bis wir einen Nierenempfänger mit deiner Blutgruppe finden.«
    »Ich danke Ihnen, Sahib«, sagte Tawan und verbeugte sich tief. »Ich danke Ihnen auch im Namen von Vinja.«
    Chandra Kashi winkte ab, aber plötzlich krauste er die Stirn und sah Tawan mit freundlichen Augen an. »Ist deine Vinja außer dem Fuß gesund?« fragte er.
    »Ganz gesund, Sahib.«
    »Wir können auch Kindernieren gebrauchen und Kinderlebern.«
    Tawan erschrak bis in die Knochen und schwieg betroffen. Vinja Stück für Stück verkaufen, ihren schönen Kinderkörper aufschneiden? Seine kleine Vinja? Chandra Kashis Stimme riß ihn aus den grauenhaften Gedanken.
    »Wir zahlen für eine Kinderniere mehr als für eine Erwachsenenniere«, sagte Chandra Kashi lässig. »Kindernieren sind selten. Überleg es dir, Tawan.«
    »Ich werde es mir überlegen, Sahib.«
    Tawan raffte die zweihundert Rupien vom Tisch, steckte sie in seine Hosentasche und ging rückwärts zur Tür. Dabei verneigte er sich mehrmals. »Sie können mich immer an der Punjab National Bank erreichen,

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