Der verkaufte Tod
nennt man Schicksal. Mr. Burten, eine Anzeige ist unmöglich. Wir können – wie ich schon sagte – mit Ihnen ein Interview machen, stellvertretend für alle anderen chronisch Nierenkranken. Und wenn sich dann einige Verrückte bei Ihnen melden – kein Arzt wird Sie operieren.«
Genau das, was Dr. Salomon auch gesagt hatte.
Der Redakteur spielte ungeduldig mit einem Bleistift und kritzelte mit ihm auf einem Block herum. »Sie sind doch an einen Dialysator angeschlossen?« fragte er.
»Säße ich sonst hier?«
»Sehen Sie, schon das ist ein Glück, für das Sie dankbar sein sollten. Wie viele warten auf einen Dialyseplatz und sterben, bevor eine künstliche Niere frei wird. Sie leben doch, und hoffentlich noch lange.«
Burten verließ die Redaktion und ließ sich an diesem Tag von Zeitung zu Zeitung fahren. Überall das Gleiche: Ablehnung der Anzeige. Auch an den folgenden Tagen, in denen Burten per Fax Zeitungen in allen US-Staaten anschreiben ließ, erfolgte prompt die Antwort: »Nein. Wir bedauern …«
Ende des dritten Monats seiner Dialysebehandlung lag Burten in der Nacht wieder am Gerät, als an die zweite künstliche Niere ein anderer Gast angeschlossen wurde. Dr. Hippler führte ihn selbst ins Zimmer. Der neue Patient, ein dicker Mann, der bei seinem Eintritt einen Stetson auf dem Kopf trug und sich hinlegte, als sei er ein Dialyse-Profi, nickte Burten zu und blinzelte Schwester Wendy zu, die bisher nur – gegen dreifaches Gehalt – Burten betreut hatte.
»Damit Sie ein bißchen Abwechslung haben, Ed«, sagte Dr. Hippler fröhlich.
Burten war diese Nacht allein gekommen; in seinem Haus fand eine Party mit wichtigen Geschäftspartnern statt, und Lora war dadurch unabkömmlich.
»Jeff steckte voller Witze, den schlimmsten, die ich je gehört habe. Sie werden zusammen vergnügte Stunden haben«, fuhr Dr. Hippler fort.
Der neue Patient wurde an die künstliche Niere angeschlossen, streckte sich wohlig, als pumpe man Whiskey in ihn hinein, und sah zu Burten hinüber. »Ich heiße Leybourg, Jeff Leybourg.«
»Ed Burten.« Burten musterte ihn. Ein Bullenkerl, trotz seiner kaputten Nieren. Ein Musterbeispiel, wie gut sich's mit einem Dialysator leben ließ. »Wie kommen Sie an das Gerät?«
»Da hänge ich schon seit neun Jahren dran, Ed. Kennen Sie übrigens die Tante, die zu ihrem halbwüchsigen Neffen in der Badewanne sagt –«
»Ich habe Sie hier noch nie gesehen«, unterbrach ihn Burten.
»Natürlich nicht. Ich bin in New York zu Besuch. Verhandele mit einigen Großschlachthäusern. Ich komme aus Texas, aus Killeen, das liegt zwischen Dallas und Austin. Dort habe ich eine Rinderfarm. So zehntausend Hörner ständig lieferbar. Ich bin jetzt zwei Tage in New York und muß also wieder an die Pumpe. In Dallas erfuhr ich die Adresse von Dr. Hippler. Zufrieden mit der Biographie, Ed?«
»Wie hat's bei Ihnen angefangen, Jeff?«
»Ganz plötzlich. Ich pinkele Blut, denke mir, das ist doch nicht normal, gehe zum Doc, der schickt mich nach Dallas ins Krankenhaus – aus war's mit Cowgirls und Hippihippijeh! Ran an die Pumpe!«
»Und wie fühlen Sie sich jetzt nach neun Jahren?«
»Fabelhaft. Neulich sagte Betty im Bett: ›Bullchen, wenn ich nicht wüßte – das ist so, als spülten sie dir Härter rein.‹ Sie sind noch nicht lange am Dialysator?«
»Etwa drei Monate.«
»Da kriegt man noch jedesmal trübe Gedanken. Kopf hoch, Ed, auch Sie gewöhnen sich daran.«
Es wurde eine lustige Nacht. Jeff Leybourg erzählte Witze, die den ganzen Körper durchschüttelten.
Schwester Wendy, die alles mitanhören mußte, sagte nur ein paarmal: »Ein Glück, daß nicht alle Männer solche Ferkel sind wie Sie.«
Und Leybourg brüllte lachend: »Aber sie hört tapfer zu, Ed! Sie ist hart im Nehmen, unsere Blutabsaugerin.«
Am Ende der Behandlung tauschten Burten und Leybourg ihre Visitenkarten aus und verabschiedeten sich wie die besten Freunde.
»Lassen Sie etwas von sich hören, Ed«, sagte Leybourg. »Ich würde mich freuen.«
»Und melden Sie sich auch, Jeff. Wenn Sie wieder in New York zu tun haben, lade ich Sie hiermit ein, und Sie wohnen bei mir. Gemeinsam gehen wir dann wieder an die Pumpe.«
Am nächsten Morgen, beim Frühstück auf der von Marmorsäulen getragenen überdeckten Terrasse, sagte Burten zu Lora: »Heute nacht habe ich einen fabelhaften Kerl kennengelernt. Einen Rinderfarmer aus Texas. Er hat mir verdammt viel Mut mitgegeben, hängt seit neun Jahren an der Dialyse und strotzt vor
Weitere Kostenlose Bücher