Der verkaufte Tod
erfaßt.
Burten kehrte zum Springbrunnen zurück, setzte sich dort auf eine weiße Bank und sah dem Farbenspiel zu, das die Sonne mit der niedergehenden Fontäne schuf. Tiger, dachte Burten. Ein gefährliches Hobby. Nun gut, wir sind in Indien, da ist vieles unverständlich und geheimnisvoll, aber ein Raubtier bleibt ein Raubtier, auch wenn es dem Menschen aus der Hand frißt. Einmal wird der Tötungsinstinkt stärker sein als die Freundschaft mit einem fremden Wesen. Es mußte eine tägliche Mutprobe sein, wenn Dr. Banda das Gehege betrat. Brauchte er diesen Beweis von Mut?
Burten war begierig, Dr. Banda morgen oder übermorgen zu sehen.
Ein Mann, der mit Tigern spielt, muß gesunde, starke Nerven haben. Ist das eines der Geheimnisse seiner begnadeten Chirurgenhände?
Burten lag noch im Bett und hatte gerade sein Frühstück beendet, als sich die Tür von Zimmer Nummer 9 öffnete, natürlich lautlos. Er fühlte sich wohl; die Dialyse vom Vortag war hervorragend gelaufen. Die Klinik besaß das modernste Gerät, gegen das der Dialysator von Dr. Hippler wie ein Bastlermodell aussah. Schon das verstärkte Burtens Vertrauen, mit Dr. Banda die beste Wahl getroffen zu haben.
Burten brauchte nicht zu raten, wer jetzt sein Zimmer betreten hatte. So, nur so konnte Dr. Banda aussehen. Burten setzte sich im Bett auf. Ihm wäre lieber gewesen, dem Arzt aufrecht und korrekt angezogen gegenüberzutreten.
Dr. Banda trug einen weißen Seidenanzug und ein roséfarbenes Seidenhemd mit weißer Krawatte, weiße Strümpfe und weiße Lackschuhe, und das bei einer Hitze, die Burten auf mindestens fünfunddreißig Grad im Schatten schätzte. Unter der freien Sonne mußte jede kleinste Bewegung einen Schwall von Schweiß aus den Poren treiben – Dr. Banda sah man nichts an. Das Wort ›schwitzen‹ schien in seinem Sprachschatz nicht vorzukommen. Er hatte kurzgeschnittene, lockige schwarze Haare, eine dunkle, etwas singende Stimme, die jedes Wort, das er sagte, zu streicheln schien. Und ein Frauentyp der allerbesten Sorte ist er, dachte Burten. Bei ihm könnte auch Lora schwach werden. Es war ein guter Entschluß gewesen, sie nicht mit nach Kalkutta zu nehmen.
»Banda«, stellte sich der Arzt vor. Sein milchkaffeebraunes Gesicht strahlte. »Ich hoffe, Sie sind zufrieden mit Ihrem Zimmer, Ihrer Betreuung, dem Essen.«
»Nichts könnte besser sein.« Burten spürte sofort eine tiefe Sympathie für Dr. Banda. »Ich danke Ihnen, daß Sie mich so schnell aufgenommen haben. Ich war sehr verzweifelt, aber nun habe ich wieder Hoffnung gefaßt.«
»Und sie ist berechtigt, Mr. Burten.« Dr. Banda setzte sich in einen Sessel dem Bett gegenüber, kreuzte die Beine und legte die Fingerspitzen seiner langen, schmalen, schönen Hände gegeneinander.
In diesen Händen liegt mein Leben, dachte Burten fast ehrfurchtsvoll. Mein Gott, laß sie immer den richtigen Griff tun.
»Nach allen Labortests«, fuhr Dr. Banda fort in einem Ton, als erzähle er, daß er sein Golf-Handycap um vier Punkte auf zehn verbessert habe, »nach den Proteinbestimmungen, einer gründlichen Untersuchung Ihres Herzens – der Narkose wegen – und den Injektionen, die Sie bekommen haben, steht nun fest –«
»Doktor, bitte«, Burten saß steif in seinem Bett, »sagen Sie nicht nein. Ich kann warten.«
»Sie Pessimist!« Dr. Banda beugte sich vor. Sein Gesicht glänzte vor Freude. »Wir haben Ihre Niere, Mr. Burten.«
Es war, als habe Burten einen Schlag gegen den Kopf erhalten. Er schloß die Augen, seine Hände verkrampften sich ineinander. »Sie … Sie haben«, stotterte er, »meine neue Niere?«
»Eine geradezu ideale Niere. Ein Glücksfall bei Ihrer Blutgruppe.«
»Ein … ein Wunder.«
»Kein Wunder.« Dr. Banda lächelte. »Nur eine gut funktionierende Organisation. Der Spender ist ein Mann von sechsundzwanzig Jahren, ein kräftiger Kerl, gesund bis zum kleinsten Zeh – wir haben ihn gründlich durchtesten lassen. Auf das Labor von Chandra Kashi kann ich mich hundertprozentig verlassen. Seine Organlieferungen sind konkurrenzlos.«
Burten schwieg. Er hielt noch immer die Augen geschlossen; er wußte, wenn er sie jetzt öffnete, würde er losheulen wie ein kleines Kind. »Ich … ich bin gerettet«, sagte er nur, kaum hörbar.
»Das können wir mit Bestimmtheit erst nach einem halben Jahr sagen. Ehrlich: Ich habe bei Ihrer extremen Blutgruppe selbst mit einer längeren Wartezeit gerechnet. Aber Chandra Kashi hat den Spender schnell gefunden.«
»Wie heißt
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