Der verkaufte Tod
Arsch!« antwortete der Anästhesist grob. »Oder besser: Du bist für uns eine Niere. Weiter nichts. Und jetzt bekommst du die Narkose, du Niere!«
»Ich habe drei Freunden gesagt, wo ich heute bin!« stieß Tawan mühsam hervor. »Zur Sicherheit!«
»Du hast –?« Der Arzt griff Tawan in das gelockte Haar und zerrte daran. »Verdammt, du hast doch unterschrieben!«
»Ich habe nichts unterschrieben. Ich kann doch gar nicht schreiben.«
Der Grünvermummte ließ Tawans Haare los, ging zu einem an der Wand hängenden Telefon und nahm den Hörer ab. Was er sagte, konnte Tawan nicht verstehen; er sah nur, daß der Arzt mehrmals nickte, den Hörer wieder einklinkte und zurückkam.
»Alles in Ordnung«, sagte er zu Tawan. »Man hat dir zwar die Niere herausgenommen, aber nicht hier in der Klinik von Dr. Banda. Hier hat dich niemand gesehen. Keiner kennt dich. Und einem so angesehenen Mann wie Dr. Banda glaubt man mehr als einem dreckigen Mann aus den Slums. Du Idiot willst einem Dr. Banda drohen! Du hast kein Hirn im Kopf, sondern Scheiße!«
Tawan wollte protestieren, aber da spürte er schon den Einstich der zweiten Injektion. Ein merkwürdiges Gefühl zog in seinem Körper hoch, eine Art Schwerelosigkeit, ein Schweben, als sei er ein großer Vogel, den der Wind trug und Kreise ziehen ließ. Er dämmerte ins Nichts hinüber, und sein letzter Gedanke war: So muß das Sterben sein. Ist es wirklich so, dann ist der Tod etwas Schönes.
Er lag schon in tiefem Schlaf, als ihn zwei Pfleger auf den OP-Tisch hoben und in Seitenlage drehten. Sie schnallten ihn an und deckten den Körper ab; nur das Operationsfeld ließen sie frei. Die linke Niere. Der Anästhesist schob den Tubus der Intubationsnarkose in die Luftröhre und schloß Blutdruck- und Atemmessung, Kreislaufkontrolle und Pulsimpulse an. Die besten und modernsten Geräte standen zur Verfügung, nicht nur für die Empfänger, sondern auch für die armen Spender – bei einer Operation war für Dr. Banda jeder Mensch gleich. Ob Bettler oder Millionär, ihm wurde die größtmögliche medizinische Sorgfalt zuteil. Auf den Monitoren erschienen die zuckenden elektronischen Anzeigen. Linien, Kurven, Zacken. Die Narkose lief. Um den OP-Tisch warteten die Assistenten, die OP-Schwester stand neben ihrem Instrumententisch. Die starken OP-Scheinwerfer warfen ein gleißendes Licht auf Ärzte und Patient. Auf einen Wink des Anästhesisten trat Oberarzt Dr. Jaipur an den OP-Tisch heran. Neben einem großen Fernsehbild hing ein Mikrofon. Das TV-Bild zeigte den OP I; auch hier umstanden die Operateure den Tisch, auf dem Edward Burten lag, ebenfalls in tiefem Schlaf. Dr. Banda blickte in die Kamera.
Dr. Jaipur hob die Hand. »Wir sind soweit, Chef«, sagte er. »Gut.« Dr. Bandas Hand zuckte zur Seite. Die OP-Schwester drückte ihm das Skalpell in die Finger. Ein Elektromesser schwenkte ins Bild. Das gleiche Bild erschien auf dem TV-Monitor aus OP II.
Die Operation begann. Ein Routine-Eingriff, Hunderte von Malen ausgeführt.
»Ich eröffne«, ertönte in der Stille fast überlaut die Stimme Dr. Bandas im Lautsprecher.
Burtens Atem und Herzschlag waren normal. Dr. Banda beugte sich über das Operationsfeld.
Der Bogenschnitt, der bewährte Flankenschnitt im 11. Intercostalraum. Der erste Schnitt, der Burten ein neues, lebenswertes Leben schenkte.
Die Operation verlief komplikationslos. Niemand hätte es von Dr. Banda auch anders erwartet. Das synchrone Operieren über TV-Kamera, Bildschirm und Mikrofon klappte reibungslos – zwei Ärzteteams, die so aufeinander eingespielt waren, daß es nur weniger Worte bedurfte.
»Niere dargestellt«, sagte der Oberarzt. In der von einem Spreizer gedehnten Wundhöhle lag Tawans Niere frei. Die Gefäße waren mit Klemmen gesichert, ein Sauger hatte das Blut weggesaugt. Die elektronische TV-Kamera übertrug das Bild in den OP I.
Dr. Banda blickte kurz auf den Monitor. Auch Burtens Niere lag frei, der Austausch konnte beginnen. Vom Anästhesisten kam die beruhigende Meldung: »Alles okay. Atmung und Kreislauf stabil.« Im OP II starrte der Oberarzt auf seinen Bildschirm. Burtens Niere war eine Katastrophe. Zwei Drittel des schwammigen Gewebes waren zerstört, sahen fahlgrau und abgestorben aus.
»Das war kurz vor zwölf«, sagte der Oberarzt. »Lange hätte er nicht mehr durchgehalten.«
Dr. Banda nickte in die Kamera. »Ich wußte es. Das Isotopen-Nephrogramm war eindeutig. Bei seiner seltenen Proteinzusammensetzung war es ein Wettlauf
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