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Der verkaufte Tod

Der verkaufte Tod

Titel: Der verkaufte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Pfleger klopfte Tawan auf den Bauch und grinste breit. »An deiner Stelle würde ich mir ein Fieber zulegen und möglichst lange hier bleiben. Ich kann dir einen Tip geben, wie man ein schönes, hohes Fieber bekommt.«
    Tawan war verblüfft über die Freundlichkeit dieses Pflegers, denn die Behandlung durch die anderen Pfleger war ihm noch gegenwärtig. Er schüttelte den Kopf und sah den jungen Mann in seinem weißen Kittel dankbar an. »Ich muß zurück. Ich habe eine achtjährige Nichte, die ich allein gelassen habe. Ich möchte so schnell wie möglich hinaus.«
    »Das bestimmt der Arzt.«
    »Außerdem bin ich jetzt ein reicher Mann. Ich brauche nicht mehr die Mülltonnen zu durchwühlen oder Kisten und Säcke von den Schiffen zu schleppen.«
    »Aber du hast nur noch eine Niere. Wenn ihr etwas passiert, bist zu verloren.«
    »Ich werde auf sie aufpassen, als sei es ein Goldschatz.« Tawan blinzelte in die Sonnenstrahlen, in denen der Staub tanzte. Die Scheiben waren verdreckt, die Farbe, ein schmutziges Grün, blätterte von den Wänden, aus den gelagerten Kartons und Schachteln strömte eine Vielzahl Düfte und reizte die Kehle. Er mußte husten und griff sich an die linke Seite. Die Wunde begann zu stechen, der Schmerz breitete sich über den ganzen Körper aus. »Jetzt tut es weh!« sagte Tawan.
    »Wenn du hustest wie ein Büffel, brauchst du dich nicht zu wundern. Lieg ruhig, atme durch die Nase und vermeide jede Erschütterung.«
    »Kann ich nicht wieder eine Spritze bekommen? Wenn ich noch mal vierundzwanzig Stunden schlafe, komme ich bestimmt früher heraus.«
    »Das alles entscheidet der Arzt.« Der Pfleger klopfte Tawan freundschaftlich auf die Hand. »In einer Stunde ist Verbandswechsel. Bereite dich darauf vor, es wird ein wenig weh tun. Dann kannst du auch mit dem Arzt sprechen.«
    Tawan nickte. Plötzlich kam ihm ein Gedanke, und er schrak zusammen, als habe ihn jemand hinterrücks geschlagen. »Hat jemand nach mir gefragt?«
    »Nein. Wer soll nach dir fragen? Deine kleine Nichte?«
    »Sie weiß nicht, wo ich jetzt bin. Sie weiß nur, daß ich operiert werde. Ich habe mich verpflichtet, niemand etwas zu sagen.«
    »Ich weiß. Das müssen alle, die eine Niere spenden. Wie könnte also jemand nach dir fragen?«
    Tawan gab keine Antwort, schloß die Augen und hing seinem plötzlichen Gedanken nach, der ihn in einen inneren Aufruhr versetzte. Er hörte, wie die Tür zuklappte; er war wieder allein in der staubigen Kammer und starrte gegen die weißgetünchte Decke.
    Chandra Kashi, dachte er. Ist er wirklich ein ehrlicher Mensch? Zahlt er mir die dreißigtausend Rupien, oder sagt er: »Ich kenne diesen Mann nicht. Man hat ihm eine Niere weggenommen? Sein Problem! Ich habe damit nichts zu tun.« So könnte er sprechen, und man würde ihm glauben und ihn, Tawan, in den Hintern treten. »Hinaus auf die Straße, wo du hingehörst! Verrecke unter deinem Holzdach an der Hauswand! Will einen Chandra Kashi anklagen, der Idiot!« Und dann war er ärmer als zuvor, hatte nur noch eine Niere und konnte nicht mehr die schwere Arbeit an den Ghats tun.
    Der Gedanke bohrte sich in ihn hinein. Aber er drückte ihn nicht nieder, sondern gab ihm im Gegenteil neue Kraft, so schnell wie möglich zu Chandra Kashi zu gehen und sein Geld zu kassieren.
    Wie angekündigt, rollte der Pfleger eine Stunde später Tawan in einen blitzsauberen, hellen, gekachelten Raum. Ein Arzt, diesmal in einem weißen Kittel, und eine Schwester erwarteten ihn. Der Verbandswechsel schmerzte weniger, als es sich Tawan vorgestellt hatte. Die lange, bogenförmige Naht wurde mit einem Antibiotikum besprüht, dann mit Puder bestäubt und wieder verbunden.
    »Wie fühlen Sie sich?« fragte der Arzt.
    Tawans Gesicht überzog ein sonniges Lächeln. Ein Glücksgefühl überströmte ihn und machte es ihm für ein paar Sekunden unmöglich zu antworten. Er hat ›Sie‹ zu mir gesagt, dachte er, er hat mich wie einen Herrn angeredet, zum ersten Mal in meinem Leben werde ich wie ein richtiger Mensch behandelt.
    »Mir geht es gut, Herr Doktor«, antwortete Tawan. Er fand, daß sich von diesem Augenblick an seine Stimme verändert hatte. Nichts Demütiges war mehr in ihr, sondern Kraft und Selbstbewußtsein. »Wann kann ich entlassen werden?«
    »In etwa fünf Tagen ziehen wir die Fäden, dann sehen wir weiter. Mr. Alipur, melden Sie sich sofort, wenn Sie irgend etwas spüren.«
    »Ja, Herr Doktor.« Tawan sah den Arzt voller Dankbarkeit an. Mr. Alipur – er war

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