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Der verkaufte Tod

Der verkaufte Tod

Titel: Der verkaufte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verzerrt. »Sie sind ein Engel, Myriam.« Er sah noch einmal in ihre schwarzen Augen, fühlte sich glücklich und schwerelos und schlief wieder ein.
    Tawan erwachte und sah nichts.
    Schwärze umgab ihn, eine lähmende Stille. Es war, als schwebe er in dieser Finsternis. Er lag unter einem dünnen Laken und rührte sich nicht.
    Ich bin tot, dachte er, ohne deshalb in Panik zu verfallen. So ist das also, wenn man tot ist – alles schwarz, ewige Dunkelheit, ein Körper ohne Gewicht. Und dann dachte er plötzlich: Wird Chandra Kashi so ehrlich sein und Vinja die dreißigtausend Rupien auszahlen? Oder wird er sie darum betrügen? Und wie ist das mit den anderen Organen, die ich ihm mit meinem Vertrag überlassen habe? Ich bin doch zu einem menschlichen Ersatzteillager geworden, für noch mal fünfzigtausend Rupien, die Vinja erben soll.
    Es kam ihm merkwürdig vor, daß er sich bewegen konnte, daß ein leichter klopfender Schmerz an seiner linken Seite herumkroch, daß er auf irgend etwas lag und nicht frei in der schwarzen Luft schwebte. Ein Toter spürt doch keine Schmerzen mehr, sagte er sich. Oder doch? Wer weiß das so genau! Bisher hat noch kein Toter darüber berichten können. Tawan, du bist nicht mehr auf der Welt, aber du fühlst dennoch alles, und außerdem stinkt der schwarze Himmel nach Desinfektion. Oder ist das alles nur ein Übergang, und der wirkliche Himmel, das Nirwana, kommt erst? Tawan, warte es ab. Du warst ja nur ein dummer Mensch, der weder lesen noch schreiben konnte, und in den Mülltonnen, die du jeden Tag durchwühlt hast, findet man kein Wissen. Sei ruhig, ganz ruhig. Aber es ist doch verdammt merkwürdig, tot zu sein.
    Wie lange er so lag und auf den lichten Himmel wartete, wußte er nicht. Er schrak nur zusammen, als plötzlich ein Lichtstrahl über ihn fiel. Er kniff die Augen zu und spürte sein Herz rasend schlagen. Jetzt öffnet sich das Nirwana, dachte er selig. Jetzt habe ich den Himmel erreicht. Da spricht doch einer! Tatsächlich, eine Stimme. Im Himmel wird gesprochen. Wenn das die Lebenden wüßten …
    »Alles in Ordnung?« fragte die Stimme hinter seinem Kopf.
    »Ich habe Schmerzen«, antwortete er leise und voll Ehrfurcht.
    »Na klar.«
    Er spürte einen Einstich in den rechten Oberarm, wollte noch etwas sagen, aber es kam nur ein Lallen von seinen Lippen, und dann schlief er wieder ein.
    Sein zweites Erwachen überraschte ihn mit Helligkeit. Er lag in einem lackierten Eisenbett in einem fast leeren Raum, nur zwei breite Schränke standen darin mit Staubsaugern, Putzmitteln und Besen. In einer Ecke stapelten sich Kartons mit Klopapier und WC-Reinigern. Aber es war Licht um ihn, er sah, daß er wieder auf der Erde war, und das trieb ihm die Tränen in die Augen.
    Ich lebe, schrie er in sich hinein. Ich lebe wirklich. Und ich bin ein reicher Mann. Dreißigtausend Rupien … Vinja, nächste Woche kaufen wir ein wie die vornehmen Herrschaften. Zwei Kleider für dich, zwei Anzüge für mich, schöne weiche Schuhe, und dann gehen wir in das Café des Hotels Ritz Continental und lassen uns bedienen. Stell dir vor, Vinja, ich der Mann aus den Slums, werde mit Sir angeredet, und man wird sich vor mir verneigen, wenn ich ein Trinkgeld gebe. Keiner wird uns mehr ansehen, daß wir unter einem Holzdach an der Wand der Punjab National Bank gehaust haben.
    Irgendwann kam ein Pfleger in die Abstellkammer und fühlte Tawan den Puls, steckte ihm ein Fieberthermometer in den Mund und maß den Blutdruck. »In Ordnung«, sagte er zufrieden. »Du bist ein harter Bursche. Du steckst so eine Operation weg wie Dattelessen.«
    »Was bleibt mir anderes übrig?« Tawan versuchte ein schwaches Lächeln. »Wie geht es dem Empfänger meiner Niere?«
    »Auch gut. Was man so gut nennt, zwei Tage nach der Operation. Er ist noch schlapp, aber er ist ja auch doppelt so alt wie du.«
    »Zwei Tage?« Tawan schüttelte den Kopf und konnte es nicht glauben. »Wieso zwei Tage? Ich bin doch gerade erst operiert worden.«
    »Du hast vierundzwanzig Stunden geschlafen. Das ist Dr. Bandas Spezialtherapie. Schlafen. Wer schläft, ist ein ruhiger Patient. Unruhe verzögert die Heilung, sagt er.« Der Pfleger drehte Tawan auf die Seite und kontrollierte den Verband. Es war noch der erste, im OP angelegte. Blutflecken waren auf ihm zu sehen.
    »Wann komme ich wieder heraus?« fragte Tawan.
    »Hast du's so eilig? Hier brauchst du dich nicht ums Essen zu kümmern, hast ein gutes Bett und liegst in einem festen Zimmer.« Der

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