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Der verkaufte Tod

Der verkaufte Tod

Titel: Der verkaufte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dem Zimmer und hielt dabei den Atem an. Erst auf dem Flur atmete er auf. Durch seine täglichen Spaziergänge wußte er, wo der Lift war, und ging weiter bis zu dem marmorgetäfelten Vorplatz. Hier standen Sitzgarnituren aus geschnitzten indischen Möbeln, bezogen mit leuchtendem, goldfadendurchwirktem Brokat. Eine Klinik wie ein Palast.
    Wortlos fuhren sie in die große Eingangshalle hinunter. Tawan atmete erst auf, als er aus dem Lift trat. Hier, wo eine Menge Menschen herumliefen, fühlte er sich wieder sicher. Er wandte sich zu Dupur und Randa um und lächelte sie höflich an. »Auf Wiedersehen«, sagte er.
    Randa spitzte die Lippen, als wolle er Tawan anspucken, Dupur zog die breiten Schultern hoch.
    »Wenn wir dich wiedersehen, machen wir dich reif für eine Herztransplantation.« Dupur schlug die dicken Fäuste gegeneinander. »Dann bist du ein frisch Verunglückter. Ja, noch etwas sollen wir dir sagen: Die nächsten zwei Monate bade nicht im Fluß! Wegen Infektionsgefahr, hörst du?«
    Tawan nickte. Und nun sagte er es doch, mutig, weil so viele Menschen in der Halle waren: »Ich heiße Mr. Alipur. Mister.«
    »Und ich würde dich jetzt in den Arsch treten, wenn die Naht nicht wieder aufplatzen würde! Laß dich bloß nicht mehr hier blicken!« zischte Dupur durch die Zähne.
    Er und Randa wandten sich ab und gingen. Tawan wartete, bis sie wieder im Lift verschwunden waren, und wandte sich dann dem Glaskasten zu, in dem heute keine Schwester, sondern ein weißgekleideter Portier saß. Tawan klopfte an das gläserne Schalterfenster.
    Mit einem Blick deutlicher Beleidigung schob der Portier das Fenster hoch. »Was ist los?« fragte er. Seine Stimme klang wie eine Ohrfeige. »Wenn du zu dämlich bist, die Tür zu sehen, dort ist sie.«
    »Ich möchte ein Taxi haben«, sagte Tawan.
    »Was willst du?«
    »Ein Taxi. Wenn Sie mir eins bestellen könnten –«
    »Haben sie dir dein Gehirn herausgeschnitten? Ein Taxi! Soll's ein Cadillac sein? Mit livriertem Chauffeur? Mach, daß du wegkommst!«
    »Ich habe ein Recht darauf, daß Sie mir –«
    »Wenn ich herauskomme«, brüllte der Portier und sprang von seinem Stuhl auf, »fliegst du waagerecht auf die Straße!« Sein Gesicht wurde rot und schwoll an. »Bei drei bist du aus der Tür! Eins … zwei …«
    Tawan zuckte mit den Schultern, aber er widerstand der Versuchung, sich vor allen Leuten mit dem Portier zu schlagen. Er verließ die Klinik, stellte sich unter die Säulen des Eingangs und wartete darauf, daß ein Besucher mit einem Taxi heranfuhr. Er hatte Glück. Nach ungefähr zehn Minuten hielt ein Wagen in der Einfahrt, ein vornehmer Inder in einem hellgrauen Seidenanzug verließ das Fahrzeug und betrat die Klinik. So einen Anzug werde ich mir gleich kaufen, dachte Tawan. Einen Anzug aus Seide. Alle sollen sehen, daß ich ein Herr geworden bin. Und weiße, weiche Schuhe werde ich dazu tragen und ein rosa Hemd und eine gestreifte Krawatte, genau wie dieser reiche Brahmane, der jetzt in die Klinik geht.
    Er trat unter den Säulen hervor, winkte dem Taxifahrer und trat an den Wagen heran. Der Chauffeur starrte ihn ungläubig an.
    »Fahren Sie mich zum Chadni Chawk«, sagte Tawan und griff nach dem Türgriff. Chadni Chawk war ein Platz mitten in Kalkutta. Hier lagen eine Reihe guter Geschäfte, auch das der Herrenausstatter Sarani & Sons, das bestimmt einen Seidenanzug hatte.
    Der Taxifahrer zuckte hoch und stieß den Kopf wie ein Reptil vor. »Finger weg!« schrie er. »Ich will keine Cholerabazillen an meinem Wagen!«
    Tawan seufzte. Wenn es nicht anders geht, muß es eben sein, dachte er. In einer Stunde spricht man nicht mehr so mit mir. Er ging um den Wagen herum, riß die Tür zum Beifahrersitz auf, sprang in das Taxi, zog aus dem Hosenbund sein Messer und stieß es in das gepolsterte Armaturenbrett. So war er vor zehn Tagen hierher gekommen, und so fuhr er nun auch wieder zurück.
    Der Taxifahrer atmete schwer, seine Augen war unnatürlich geweitet.
    »Fährst du mich nun?« fragte Tawan sanft. Er griff in die Hosentasche, holte einen Zehn-Rupien-Schein hervor und legte ihn neben das Messer.
    Der Taxifahrer nickte. »Und der Riß, den dein verdammtes Messer gemacht hat? Wer bezahlt den?«
    »Berufsrisiko. Lerne, das nächste Mal höflicher zu sein. Also los, zum Chadni Chawk!«
    »Das kostet mehr als zehn Rupien.«
    »Sei froh, daß ich dich nicht rasiere!« Tawan preßte die Lippen zusammen. Der alte Ton. Die Gewalt der Straße. Die Gnadenlosigkeit der

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