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Der verkaufte Tod

Der verkaufte Tod

Titel: Der verkaufte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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öffnete sich eine Schleuse, strömten die Besucher Kalkuttas durch die Sperre in die Halle, wurden von Freunden und Verwandten mit Küssen und Geschrei begrüßt. Aber viele Passagiere setzten erst einmal ihre Koffer ab und sahen sich um. Es waren Amerikaner, die eine Pauschalreise gebucht hatten und nun von den Boys und Taxis der großen Hotels abgeholt wurden. Junge Inder in phantasievollen Uniformen liefen herum und hielten ihre Schilder hoch: Hotel Carlton, Grand-Hotel, Asia Hotel, Ritz Continental, Parkhotel, Hotel Majestic, Hotel Rath-Din, Spencer's Hotel. Ihren Hotelnamen rufend, liefen die jungen Männer durch die Halle und versammelten ihre angemeldeten Gäste um sich. In kleinen Gruppen scharten sich die Amerikaner um die die Schilder Hochhaltenden, bis der letzte Fluggast aus der Zollabfertigung herausgekommen war.
    Tawan musterte jeden gründlich. Amerikanische Touristen sind eine Augenweide für sich: Von großkarierten Hosen bis zu knallbunt bedruckten Hawaiihemden war alles vertreten. Ein älterer Mann trug auf dem Kopf einen texanischen Stetson und auf dem Leib ein weites Baumwollhemd, auf dessen Rücken eine liegende, nackte, vollbusige Frau gedruckt war und darunter nur das Wort ›Hallo!‹. Das Hemd, das er über der Hose trug, hatte links und rechts je eine breite Tasche. Aus der linken Tasche ragte der Rand einer Brieftasche heraus. Sie enthielt nicht nur Geld, sondern auch alle Papiere, den Führerschein, den Paß, die Flugtickets, die Bilder der Familie, Kreditkarten und Hotelgutscheine. Tawan las das Schild, unter dem der Amerikaner wartete. Ritz Continental. Ein teures Hotel, in dem ein Zimmer so viel kostete, wie ein indischer Hafenarbeiter in einem Jahr verdiente.
    Tawan schob sich langsam an die Gruppe der Gäste des Ritz Continental heran, stellte sich neben den bunten Amerikaner, griff vorsichtig, mit spitzen Fingern, in die Hemdtasche und zog die Brieftasche heraus.
    Hatte der Amerikaner die Berührung gespürt? War er ein erfahrener Reisender? Kannte er die Tricks auf Flughäfen und in Menschenansammlungen? Tawan hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Er spürte plötzlich einen harten Griff um sein Handgelenk, und ein hochrotes, wütendes Gesicht funkelte ihn an.
    »Nicht bei mir, du Halunke!« schrie der Amerikaner. »Polizei!«
    Tawan reagierte blitzschnell, fast aus einem Instinkt heraus. Er riß seine Hand aus dem harten Griff, trat den Amerikaner vor das Schienbein und rannte davon. Er hörte hinter sich ein lautes Gebrüll, stieß zwei Männer, die sich ihm in den Weg stellen wollten, brutal zur Seite, hetzte durch die Eingangstür, stürzte zu seinem mit laufendem Motor wartenden Taxi, warf sich hinein und rief keuchend: »Los, Bruder! Los! Kümmere dich um nichts. Fahr, fahr!«
    Das Taxi schoß davon. Die Menschen, die aus der Ankunftshalle quollen, sahen nur noch einen weißen Wagen, der heulend um die Ecke raste. Die Nummer merkte sich in der Aufregung keiner. Ein weißer Wagen – die Polizei würde milde lächeln. Weiße Autos gab es in Kalkutta einige tausend. Sir, wir können Ihnen da nicht helfen …
    »Das war knapp!« sagte Tawan. Er lehnte sich in das Polster zurück. Mit Hupen und quietschenden Reifen raste das Taxi durch die Stadt. »Es ging um Sekunden.« Er sah durch die Scheibe auf die vorbeifliegenden Häuser und Geschäfte. »Wo fährst du denn hin? Ich habe doch gar kein Ziel angegeben.«
    »Zuerst weg vom Flughafen, kreuz und quer, und Spuren verwischen.« Der Fahrer raste hupend um ein Rondell. »Das ist doch jetzt das Wichtigste.«
    »Ich brauche keine Spuren zu verwischen«, sagte Tawan, als sei er tief beleidigt. »Was denkst du von mir?«
    »Das, was du bist.« Der Fahrer verringerte das Tempo etwas. »Du hast doch ein krummes Ding gedreht, Bruder.«
    »Sehe ich so aus?«
    »Ich fahre seit zwanzig Jahren Taxi, genügt das? Da bekommt man ein Gefühl für seine Fahrgäste.«
    Tawan beugte sich nach vorn und schob gleichzeitig sein Messer griffbereit an die linke Seite. »Zur Punjab National Bank!«
    »Verstanden.« Der Fahrer nickte. »Wieviel Prozent?«
    »Was heißt Prozent?«
    »Ich bin jetzt Mittäter und habe ein Recht auf einen Anteil. Versuch nicht, mich zu betrügen, sonst halte ich vor dem nächsten Polizisten.«
    Tawan antwortete nicht. Er lehnte sich wieder zurück, öffnete die Brieftasche und holte einen Packen Dollarnoten heraus.
    Im Rückspiegel sah der Fahrer, wie Tawan die Scheine durch die Finger blätterte. »Donnerwetter!« sagte

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