Der verkaufte Tod
aber nicht aussprechen.
Tawan bekam seine Quittung, zerriß sie, warf sie in einen Papierkorb neben den Schreibpulten im Schalterraum und verließ wieder die Bank. Aber er fuhr nicht sofort nach Hause, sondern ging zu seinem Holzdach an der Bankwand und schlug die Eingangsplane zurück.
Shakir, der zerlumpte Student, lag auf der alten Matratze. Seine Augen waren weit und glänzten unnatürlich. Er hob kurz den Kopf, sah Tawan an und ließ den Kopf wieder auf die als Kissen dienenden, zusammengeknüllten Lumpen fallen. »Eine Woche ist noch nicht um!« sagte er mit heiser singender Stimme. »Aber nächste Woche kommt wieder ein Scheck von meinem Vater. Dann bekommst du dein verdammtes Geld.«
»Wieso bist du hier und nicht mehr im Hospital?«
»Das ist die dämlichste Frage, die ich je gehört habe. Sie haben mich rausgeschmissen, das ist alles. Verbunden und dann zurück auf die Straße. ›Ist nur ein Kratzer‹, hat der Arzt gesagt. ›So was bringt Läuse wie euch nicht um.‹ Da habe ich ihm eine runtergehauen. Ruckzuck war ich draußen!«
»Das geht nicht«, sagte Tawan hart.
»Warum geht das nicht? Du siehst es doch.«
»Ich habe gestern im Hospital für fünf Tage im voraus für dich bezahlt. Sie haben das Geld genommen.«
»Alles Gauner, siehst du? Die ganze Welt besteht nur aus Verbrechern. Und da soll ich der einzige Anständige sein?«
»Ich werde mir mein Geld wiederholen.« Tawan trat näher an Shakir heran. »Woher hast du die Rupien, um dir wieder Heroin zu kaufen?«
»Ich habe gearbeitet, großer Tawan.«
»Gearbeitet? Wo und was?«
»In drei privaten Hurenhäusern.« Shakir nickte mehrmals. »Da staunst du, was? ›Doktor‹, nennen mich die Weiber. Ich habe doch Medizin studiert. ›Doktor‹, sagen sie, legen sich hin und machen die Beine breit, ›sieh nach, ob ich mir was gefangen habe.‹ Und dann untersuche ich sie, sage: ›Okay‹ oder: ›Vierzehn Tage Ruhe, du alte Sau‹, bekomme dafür das halbe Honorar, das sonst ein richtiger Arzt nimmt, und bei der Schönsten eine Nummer gratis. Was willst du mehr? Ich habe sieben feste Kunden, sieben Häuser mit zusammen dreiundfünfzig Huren. Das ist eine echte Knochenarbeit, das kann man nur in drei Tagen schaffen.«
»Aber jetzt ist das Geld wieder weg?«
»Du sagst es. Aber ich habe zwei gute Schüsse dafür bekommen. Fast reines Heroin aus Birma.« Shakir hob den Kopf. »Du holst dir das Geld vom Hospital wieder?«
»Natürlich.«
»Ich habe dir einen ganz logischen Vorschlag zu machen, Tawan.« Shakir setzte sich jetzt auf die Matratze. »Du hast das Hospital für fünf Tage bezahlt?«
»Ja.«
»Wenn ich fünf Tage geblieben wäre, bekämst du jetzt nichts zurück. Das Geld wäre verloren.«
»Ja.«
»Aber ich bin wieder raus, und theoretisch ist das Geld für dich weg. Oder anders gesagt: Es ist mein Geld, denn du hast ja für mich bezahlt. Das Geld, das du wieder abholst, ist mein Geld! Ich bin jetzt so großzügig, dir zu sagen: Behalte das Geld. Es ist die Kaufsumme für diese Behausung hier. Behalte es, und wir sind quitt. Ich habe damit alles bezahlt, ich habe keine Schulden und du keine Forderungen mehr. Hast du das verstanden?«
»Nein«, antwortete Tawan gedehnt. Er ahnte nur, daß er jetzt betrogen werden sollte.
Shakir seufzte und drückte die Hand auf seine Schulterwunde. Sie jagte ab und zu noch Schmerzschauer durch den ganzen Körper; Medikamente gegen die Schmerzen hatte man ihm nicht mitgegeben. »Es ist doch so einfach«, sagte er eindringlich. »Ob du das Geld der Klinik gibst oder mir, ist doch das Gleiche. Es ist fort.«
»Ich hole es mir wieder.«
»Du warst bereit, das Geld für mich zu geben.«
»Ja.«
»Also ist das Geld doch weg.«
»Nein, es ist da.«
»O Gott, bist du dämlich! Und so etwas will Millionär werden! Jetzt noch einmal ganz klar: Du holst das Geld und behältst es, und ich bekomme dafür diese Unterkunft, weil ich nicht in der Klinik war und das Geld verbraucht habe. Verstehst du jetzt?«
»Ja«, sagte Tawan gedehnt. »Werde glücklich unter meinem Dach. Ich war glücklich, auch wenn ich arm wie ein Straßenköter war. Ich besuche dich ab und zu.«
Er ging zur Eingangsplane, aber Shakir hielt ihn zurück. »Da ist noch etwas, Tawan.«
»Noch was?«
»Gestern war ein Polizeioffizier hier und hat nach dir gefragt. ›Er wohnt nicht mehr hier‹, habe ich gesagt. ›Ich habe ihm das Dach abgekauft. Wohin der gegangen ist? Was interessiert mich das? Ich hätte doch keine Antwort
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