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Der verletzte Mensch (German Edition)

Der verletzte Mensch (German Edition)

Titel: Der verletzte Mensch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Salcher
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sinnvoll ein Engagement ist, könnte zum Beispiel sein, wie weit es über den engen Rahmen einer Disziplin hinausgeht. Ein Schachweltmeister und der beste Golfspieler der Welt gelten letztlich vor allem in ihrem Bereich als einzigartig. Die Lebensleistung von Nelson Mandela berührt wahrscheinlich weit mehr Menschen als die eines Weltklasseläufers. Gerade das Beispiel von Nelson Mandela zeigt auch, wie viele Verletzungen ein Mensch überstehen kann, wenn er Sinn in seinem Leben sieht.
    Was wir von unseren Kindern über flow lernen können
    Wer Kindern beim Spielen zuschaut, kann den flow -Effekt sofort erkennen, ohne ein Forscher zu sein. Nur bei oberflächlicher Betrachtung aus der Erwachsenenperspektive ist das, was wir sehen, „Spiel“, wir könnten es genauso gut Arbeit nennen. Aber beide Bezeichnungen sind irreführend, weil sie eben künstlich zwischen Ernst und Spaß trennen anstatt zwischen dem, was uns Freude macht, und dem, was uns ängstigt oder langweilt. Diese Zusammenhänge hat Maria Montessori schon vor 100 Jahren erkannt. Überlässt man Kinder sich selbst, suchen sie mit der Unvermeidlichkeit eines Naturgesetzes flow -Situationen auf. Sie tun Dinge, die sie genau so weit herausfordern, dass sie diese gerade noch schaffen können. Genau so weit gehen sie, dann hören sie auf, weil sie entweder die Möglichkeiten dieses Spiels ausgeschöpft haben oder mit ihrem Können am Ende sind. Auf diese Weise lernen Kinder, Sandburgen zu bauen, Fahrrad zu fahren, zu singen, zu tanzen, weit zu springen und vieles mehr. Das ist auch der Grund, warum es Kindern leichtfällt, durchaus komplexe Fähigkeiten, wie den Gebrauch eines Mobiltelefons oder Computerspiels, zu erlernen. Dieses selbstbestimmte, spielerische Erforschen scheinbar ohne Zweck führt zu weit besseren Ergebnissen als das genau vorstrukturierte Lernen abstrakter Dinge in der Schule.
    Das was wir bei den Kindern sehen, ist das gleiche Geheimnis, warum uns als Erwachsene Tätigkeiten, für die wir weder bezahlt noch belohnt werden, so viel Freude machen. Wir tun sie, nicht weil wir müssen, sondern um der Sache willen. Der völlig unmotivierte Arbeiter, der im Betrieb ständig auf die Uhr blickt, wann er endlich nach Hause darf, entpuppt sich in seiner Freizeit als begeisterter Hobbytischler, fleißiger Gärtner, disziplinierter Marathonläufer, Schachmeister oder Trainer einer Jugendmannschaft.
    Was wir tun können, um Kinder glücklich zu machen
    In dem Augenblick, wo wir Kinder danach bewerten, ob das, was sie tun, konkrete Ergebnisse bringt oder nur „Zeitverschwendung“ ist, legen wir den Grundstein für die Entpersönlichung, unter der wir alle so leiden. Die Trennung in das, was nützlich ist, und das, was Freude machen darf, ist das Grundübel unserer entmenschlichten Gesellschaft. Viel zu früh lernen Kinder innere Freude an dem, was sie tun, mit organisierter Freizeit und kurzfristiger Konsumbefriedigung zu verwechseln. Das erste Alarmzeichen ist, wenn Kinder – und Erwachsene – beklagen, dass nichts los sei, obwohl ständig Events und Angebote auf sie niederprasseln.
    Dabei wäre alles vorhanden, was für eine gesunde Erziehung notwendig ist, meint Csikszentmihalyi. Das beginnt damit, dass man Kindern zeigt, was sie mit ihrem Körper alles machen können, von Purzelbaumschlagen, Kampfspielen oder Jonglieren bis zum Tanzen. Danach könnten Kinder lernen, was sich zum Beispiel mit dem Atem alles anfangen lässt: Singen, Schreien, Gedichte aufsagen. Mit den Fingern kann man Lehm formen, Farbe verschmieren, Werkzeuge benützen. Es ist eine Ironie, dass die Städteplaner der Großstädte beim Versuch, kindergerechte Umwelten zu schaffen, oft Dschungel oder Slumlandschaften gestalten, auf denen Bauholz, kaputte Reifen, ein ausrangierter Autobus und alte Mauern die wichtigsten Gestaltungselemente sind.
    Csikszentmihalyi plädiert dafür, dass die erste Erziehung eine künstlerische sein sollte. Es ist wichtig, dass Kinder aus den sie umgebenden Tönen und Klängen Muster heraushören lernen. Sie sollen mit Wörtern spielen, wilde Sätze und fürchterliche Wortspiele zusammenstellen, um ein Gefühl der Beherrschung der sprachlichen Werkzeuge zu erlangen. Ein Kind, das dazu geführt wird, alle Fähigkeiten seines Körpers und Geistes zu entwickeln, wird nie gelangweilt sein. Wenn es wie beim Spielen seine Fertigkeiten ständig weiterentwickelt, kann es flow erleben und sein Selbstwertgefühl aufbauen. Diese positiven Gefühle werden sich

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