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Der Verlobte

Der Verlobte

Titel: Der Verlobte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Sylvester
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Ich bekomme den größten Ärger.«
    »Lassen Sie sie gehen«, mischte sich Bert ein. »Es stimmt. Meine Großmutter wünscht keine Gespräche zwischen den Gästen und dem Personal.« Er nickte der jungen Frau zu. »Gehen Sie ruhig!«
    Kopfschüttelnd sah Tillmann ihr nach. Sitten waren das hier – wie im tiefsten Mittelalter! Dann sah er, wie Bert den Umschlag mit der Aufschrift »Lilo« aufriss. Tillmann sah ihm neugierig über die Schulter.
    » Der Vorhang fällt zum Untergang. Applaus! «, las Bert vor.
    »Jetzt ist aber Schluss!«, entgegnete Tillmann. »Wir ziehen die Polizei hinzu und zwar sofort!« Wieso hatte er das nicht längst getan?
    Bert nickte. »Machen Sie das«, sagte er. »Am besten fahren Sie bis in die Kreisstadt. Auf den Dörfern in der Gegend werden Sie jetzt am Samstagabend nicht mal einen Streifenbullen finden.«
    Er steckte den Brief wieder in den Umschlag und legte ihn zurück auf Tante Lilos Gedeck. »Ich werde mich um die Damen kümmern.«
    Tillmann nickte entschlossen. »So machen wir das!«
    Als sie kurz darauf in der Eingangshalle standen, pflückte Bert das Regencape der Großmutter vom Kleiderständer. »Hier, das werden Sie brauchen.«
    Tillmann zögerte nur kurz.
    »Nun werden Sie mal nicht eitel, Lehrerchen«, sagte Bert grinsend und deutete auf Tillmanns mit bunter Schminke und Hundetatzen verziertes Hemd. »Umziehen können Sie sich später.«
    Tillmann warf sich das Cape über und zückte seinen Autoschlüssel. Sein Mobiltelefon hatte er im Auto liegen lassen. Sobald er diese Einöde überwunden hätte, würde er mindestens eine Hundertschaft der Polizei ordern.
    Draußen erwarteten ihn Regen und Wind in trüber Dämmerung. Die meisten der Gasleuchten hatten inzwischen den Dienst versagt, sodass die herrschaftliche Einfahrt des Anwesens eine skurrile Friedhofsstimmung verbreitete: Vereinzelt glommen zaghafte Lichtlein.
    Tillmann stakste die glitschigen Stufen hinunter und hastete über den knirschenden Kies. Beinahe hätte er Berts Motorrad umgerannt. Umständlich hielt er sich an der Maschine fest, zog sie dann zu sich, damit sie nicht umkippte und geriet dabei selbst ganz schön ins Wanken. Uff, geschafft!
    Einen Moment lang betrachtete er das Motorrad, doch er konnte wegen des Regens und der Dämmerung nicht viel erkennen. Es schien eine schöne alte Maschine zu sein. Tillmann befühlte das Motorrad vorsichtig. Hatte Bert nicht gesagt, er sei mit dem Motorrad zu der Unfallstelle des Jeeps gefahren? War er nicht gerade eben erst zurückgekehrt? Tillmann tastete weiter. Die Maschine war vollkommen kalt. Ob das am Regen lag? Er bückte sich und tastete behutsam nach dem Auspuff. Sehr vorsichtig, denn wenn Bert mit dem Motorrad gefahren war, war der Auspuff vermutlich noch sehr heiß.
    Doch der Auspuff war eiskalt!
    Tillmann wischte sich die Nässe aus dem Gesicht. Ein sinnloses Unterfangen, denn der Regen prasselte unaufhörlich nieder. Er überlegte fieberhaft, was das alles zu bedeuten hatte. Berts Motorrad war nicht bewegt worden. Auf keinen Fall! Das konnte nur bedeuten, dass Bert gelogen hatte. Er war nicht an dem Unfallort gewesen, oder zumindest war er nicht mit dem Motorrad hingefahren – jedenfalls nicht mit diesem. Ob er noch eine andere Maschine hier auf dem Anwesen stehen hatte?
    Innerlich hin und her gerissen verharrte Tillmann im Regen. Sollte er Lilly bei ihrer seltsamen Familienbande zurücklassen und losfahren, um die Polizei alarmieren? Oder sollte er lieber bei Lilly bleiben, damit ihr nicht auch noch etwas passierte?
    Es war eine schwierige Entscheidung. Wenn er hierbliebe, konnte er Lilly dann wirklich beschützen? Oder war es nicht besser, so schnell wie möglich die Polizei hinzuzuziehen? Doch was konnte nicht noch alles in seiner Abwesenheit geschehen?
    Grübelnd und unentschlossen stapfte er hinüber zu seinem Auto, wo ihm sogleich die Entscheidung abgenommen wurde: Seinem Wagen fehlten die Räder!
    Er stand genau da, wo er ihn am Abend zuvor abgestellt hatte, aber auf eins, zwei, drei, vier Steinquadern. Entsetzt ging er um sein amputiertes Gefährt herum, um sich zu vergewissern, dass er sich das nicht einbildete. Nein. Es stimmte, und es war auch eindeutig sein Auto. Schnell sah Tillmann sich nach den anderen Autos um. Soweit er erkennen konnte, hatten sie noch alle ihre Räder.
    Plötzlich peitschte eine Windböe das Regencape auf. Tillmann zuckte zusammen. Er hatte Mühe, den flatternden Regenumhang festzuhalten. In der Ferne zuckte ein Blitz

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