Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
Vom Netzwerk:
voller Ungeduld. Finn zog sich an und machte mit dem Welpen einen Morgenspaziergang über das Grundstück der Taubers. Dieser heraufdämmernde Dienstag   – es war der 9.   Oktober   – versprach Regen; ein glühendes Morgenrot zeigte sich über den fernen Bergen im Osten. Der Wind hatte in der Nacht nachgelassen und war sogar etwas wärmer geworden; aber immer noch wehte er von Westen, und er schien nach Südwesten kippen zu wollen: ein fast sicheres Zeichen für nahenden Regen. Denn im Südwesten waren die Gipfel des Halbmondgebirges niedriger, und hinter ihren steil abfallenden Hängen lag das Meer mit seinen brandenden Wogen.
    Finn erinnerte sich des Ratschlags von Circendil und suchte einen Strick, um Inku anzuleinen; aber der Welpe wehrte sich mit allen Vieren und seinen kleinen spitzen Zähnen, als er ihm eine Schlinge um den Hals zu legen versuchte. Immer wieder zog er seinen Kopf zurück und knurrte. Als Finn sein Ansinnen endlich aufgab und den Strick fortnahm, legte Inku seinen Kopf schief und bedachte Finn mit dem dankbarsten Blick, den Hundeaugen zu vollbringen im Stande waren. Finn lachte auf und tollte mit dem Welpen herum, und für einige Minuten waren die düsteren Gedanken vergessen, die ihn auch in seinen Träumen nicht gänzlich verlassen hatten.
    Es gab ein gemeinsames Frühstück am langen Tisch der Taubers, das so lärmend war wie stets, weil alle durcheinander schwatzten und jeder glaubte, besser verstanden zu werden, wenn er lauter sprach als sein Nachbar. Hámlat am Kopfende fragte Finn höflich nach Bekannten und deren Belanglosigkeiten aus dem Obergau, aber sobald Finn vom Rat und seinen Beschlüssen erzählen wollte, wurde der alte Vahit mürrisch und winkte ab. So beschränkte sich Finn nur darauf, zu erwähnen, dass er bis zum Eintreffen seiner Freunde zu bleiben gedenke, deren Ankunft er in Bälde aus Sturzbach erwarte.
    »Du weißt, du kannst bleiben, solange du willst«, antworteteHámlat. Seine kurzsichtigen, aber immer noch gewitzten Augen blitzten, als er sich vorbeugte. Wie Finns neuer Freund, dieser Mensch, denn so sei, wollte er wissen.
    »Eben das«, erwiderte Finn. »Er ist ein verständiger und verlässlicher Gefährte. Ich mag ihn. Ich würde ihm bedenkenlos mein Leben anvertrauen.« Dann sei es ja gut, brummte Hámlat und entzündete die erste Pfeife des Tages.
    Nur drei saßen nicht mit auf den Bänken: Bartolos Witwe Tessina sowie Furgo und Fionwen, die nach ihm sah. Nachdem die Tafel aufgehoben war, begann das Spiel der unentwegt klappernden Türen erneut. Der »Taubenschlag« machte seinem Namen alle Ehre: Wie Geflattere schwirrte es hinein und hinaus; und als endlich die meisten in alle Himmelsrichtungen verstreut unterwegs waren, um ihr Tagwerk zu verrichten, atmete Finn erleichtert auf.
    Da niemand ihn vereinnahmte, holte er sich sein Schreibzeug herunter und suchte sich eine Ecke, um sein Tagebuch zu vervollständigen. Darüber verging der Vormittag, und Finn war überrascht, als man ihn schon wieder zum Essen rief. Nach dem Mittagsmahl erging er sich mit Wilhag und Inku im Garten, um sich die Beine zu vertreten; und sie kamen an der Sägemühle vorbei und sahen Ewerdarg und seinen Brüdern eine Weile bei der Arbeit zu. Finn nutzte die Gelegenheit, sich bei seinem Oheim Bardogar für die Hilfe bei der Rettung seiner Eltern zu bedanken.
    »Es war wenig genug«, meinte der älteste Hámlatsohn und wischte sich über die glänzende Stirn. Sägemehl rieselte von seinen Armen.
    »Ich habe eine Bitte«, sagte Finn. »Ich werde unseren Wagen brauchen, wenn ich Papa nach Hause bringen will. Und ich möchte Panuffel dort draußen nicht einfach so liegen lassen. Er hat uns viele Jahre treu gedient, und das Mindeste, was ich für ihn tun kann, ist ihn mit ein paar Steinen zu bedecken. Aber allein schaffe ich das nicht. Werdet ihr mir helfen?«
    »Wir kümmern uns darum«, versprach Fiongar. »Wir sind mitunserer Arbeit ohnehin fast fertig für heute und machen uns sogleich auf den Weg.«
    »Dann hole ich nur meinen Mantel.«
    »Den kannst du holen«, meinte Ewerdarg. »Aber nicht, um uns zu begleiten. Ruhe dich aus, oder erziehe deinen Hund, der mir gerade meinen Lappen stiehlt.« Tatsächlich schlich Inku soeben mit einem alten Tuch im Maul zur Tür der Werkstatt hinaus. Die Vahits lachten und wurden übergangslos wieder ernst. »Überlass uns diese traurige Pflicht«, sagte Bardogar, und er wollte keinen Widerspruch mehr hören. »Du wirst alle deine Kräfte für Furgo

Weitere Kostenlose Bücher