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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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brauchen. Überlass alles uns. Und nun geht und steht uns nicht länger im Weg.«
    Wilhag und Finn schlenderten noch ein gutes Stück weiter. Ein zu Beginn mit Bohlen ausgelegter, später aber unbefestigter Weg führte über den Mühlbach und zog sich weiter fort nach Norden. Er lief hinter dem Besitz der Taubers durch niedrige Dickichte am Fuß eines Hügels dahin und verschwand dann und wann unter Bäumen, ehe er im flachen Tal hinter dem Hügel auf einen querverlaufenden Weg stieß, der von links, von der Gaustraße kam. Ein schmaler Bach folgte ihm und schäumte längs des Weges dem Sturz entgegen. Hier bogen sie nach rechts ab und folgten dem neuen Pfad, bis der Bach sich vor einem großen Findling teilte. Zwei Ulmen wuchsen beiderseits des Felsbrockens; und zwischen ihren Stämmen war eine hölzerne Steigbrücke befestigt, die über den Bach und über den Findling hinauf- und hinwegführte. Die beiden Teilbäche schossen beiderseits zu ebener Erde dahin, einen rechten und einen linken Bogen schlagend. Sie hörten ihr Rauschen noch eine ganze Weile; zwischen ihnen aber stieg das Gelände allmählich an, und je weiter die beiden Vahits und der Welpe gingen, desto härter und felsiger wurde der Boden unter ihren Stiefeln. Nur dünnes Gras wuchs hier noch, das mit jedem Schritt mehr in moosige Flechten überging. Bald waren sie so hoch, dass die Wipfel der Bäume an den Bachufern unter ihnenwogten. Voraus verengte sich das schräg aufwärts führende Plateau zu einer langen Spitze und stieg zugleich um ein Vielfaches steiler an, bis sich das Gestein am Ende fast senkrecht erhob.
    So kamen sie bis zum Beukelfelsen, der zwar so hieß, aber in Wahrheit kein einzeln stehender Felsen war, sondern einen festverwachsenen Teil der zerklüfteten Sturzlandschaft bildete.
    Der Beukel, wie er meist nur genannt wurde, war das Ende der Halbinsel zwischen den beiden Bächen: ein turmartiger Vorsprung des Sturzes, den zwei aufeinander zulaufende Klüfte und die in sie hineinstürzenden Bäche aus der steilen Klippe geschnitten hatten. Doch nicht scharf ragte der Beukel ins Land hinaus, sondern breit, als hätte einst der Bug eines Schiffes die Linvahogath gerammt. Dieser Bug stand noch immer, versteinert und stumm, aber das dazugehörige restliche Schiff war verschwunden. Von oben betrachtet glich die Form zwei sich nacheinander erhebenden Dreiecken, die mit je einer ihrer Spitzen aufeinander stießen, wobei das äußere Felsengebilde höher aufragte als das innere. An der schmalsten Stelle waren die beide Felsentürme des Beukels mit einem kaum zwei Klafter breiten Grat verbunden. Wer hinüberging oder an einer der Kanten stand, musste völlig schwindelfrei sein, denn unterhalb des überhängenden Beukels fiel die Linvahogath zu ihrer größten Tiefe ab: Mehr als eine Meile oder über eintausendzweihundert Klafter hinab fiel ein Stein, ehe er in die unergründlichen Schattenfenne plumpste und auf ewig darin verschwand. Es war ein geschätzter Wert: Niemals war er gemessen worden.
    Der Beukelfelsen war ein beliebter und erhöhter Aussichtspunkt für jene, die nicht direkt an der Kante des Abgrundes wohnten; doch es gehörte trotz eines umlaufenden Geländers Mut dazu, ihn zu betreten. Zunächst wand sich der von der Steigbrücke kommende Pfad in immer engeren Kehren den ersten Turm hinauf. An den steileren Abschnitten war er mit aus dem Fels gehauenen Stufen versetzt. Oben führte er über den Grat auf deneigentlichen Vorsprung, auf das höhere, aber flachere Dreieck   – hin zu einer Bank, die auf der Mitte der umzäunten Fläche nach Sonnenaufgang gerichtet stand. Ein einsamer, krummer Buchsbaum hatte dort seine Wurzeln tief in den Beukelfelsen getrieben. Er trotzte gemeinsam mit einem Sadestrauch seit langen Jahren allen Stürmen. Baum und Busch auf dem kargen Fels wirkten auf Finn wie die letzte verbliebene Haarlocke an der Stirn eines sonst kahlköpfigen Vahits.
    Finn nahm Inku und steckte ihn vorsichtshalber in seine zugeknöpfte Jacke; dann gingen sie über den Damm und setzten sich auf die Bank.
    Ohne dass Wilhag ihn dazu aufforderte, begann Finn zu erzählen. Und ohne dass er es selbst recht bemerkte, begann er, sich alles von der Seele zu reden, was ihn belastete. So berichtete er von Banavreds Brief. Von Gatabaids Verschwinden. Von seiner und Mellows Gefangenschaft im Acaeras Alamdil. Von der Errettung des Mädchens und ihrer Flucht. Vom Zusammentreffen mit Circendil und allem weiteren   – bis er beim Rat von

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