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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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sonst brachte dann Ecthelsior ausgerechnet den Schlüssel zur Sprache?«
    Finn stöhnte auf. »Weil es noch einen weiteren gibt«, rief er. »Es tut mir leid. Wir haben uns von diesem albernen Ausspruch ablenken lassen. Vielmehr ich habe das, will ich sagen. Noch sind mir die Dwarge und ihre Geschichte allzu verworren. Von wegen Rumóin. Törichter Unfug. Wozu haben wir Ohren, wenn wir nicht zuhören? Wir alle drei saßen mit dabei, als uns Glimfáin die Geschichte der beiden Schlüssel erzählte; gestern, nein, vorgestern, in der Schmiedescheune.«
    »Wieso sagst du beide Schlüssel?«, fragte Mellow. »Ecthelsior schrieb von einem, also Einzahl. «
    »Weil Irváins zwei Schlüssel in Wahrheit nur einer waren«, antwortete Finn. »Nur einer ist, meine ich. Entsinne dich: ein Schlüssel, geformt zu einer teilbaren Doppelaxt. Du hast es doch selbst gehört. Was also schreibt dieser Ecthelsior noch?«
    »Zur Abwechslung nennt er endlich mal ein paar Namen«, meinte Mellow verdrießlich. Die Pfeife war ihm ausgegangen, und er stopfte sie neu. »Einen hebt er besonders hervor. In seiner Geschichte folgt Ecthelsior allen möglichen Verästelungen der Ferivóin-Sippschaft, ehe er das Kapitel beschließt. Und dabei fällt der Name. Wo Gamlin Nemantéor ruht , schreibt er, dabei die Rede eines Ferivóin-Erben namens Farogáin wiedergebend, soll Fárins Andenken bewahrt sein. Punkt. Aus. Das war’s. Mehr war nicht zu entziffern.«
    »Weil der leidige Pilz alles Übrige gefressen hat«, fügte Circendil hinzu. »Dennoch glaube ich nicht an Zufälle, wie ihr wisst. Gerade an der Stelle, an der er über den Verbleib der Gluda schreiben sollte, führt Ecthelsior stattdessen den Erschaffer des Schlüssels an. Dieser Umstand muss eine Bedeutung haben. Féar schreiben wenig; und wenn, nicht leichtfertig über Dinge ohne Sinn und Zweck.«
    » Nichts ist treuer als Gidwargenwort!«, murmelte Finn. »So ist es ihre Sitte. Einmal gegebene Versprechen halten sie unbedingt, und ein einmal gegebenes Nein bedeutet ein Nein. Wenn dieser Farogáin angibt, Fárins Andenken würde an Gamlin Nemantéors Ruhestatt verwahrt werden, dann ist das so verlässlich wie gewachsener Fels.«
    »Also«, fasste Mellow zusammen, »müssen wir nur herausfinden, wo dieser Gamlin Nemantéor begraben liegt. Nichts leichter als das, denke ich. Wo befindet sich der größte Dwargenfriedhof, Circendil?«
    »Den werden wir nicht finden«, antwortete der Mönch niedergeschlagen. »Auch wenn wir über zehntausend Jahre hinweg jeden Schrittbreit von Kringerdes weitem Rücken absuchten. Dwarge haben niemals Friedhöfe angelegt. Sie begruben ihre Toten stets tief im Gebein der Erde, in geheimen Spalten, die sie zu Grüften erweiterten, fern allen Lichts. Damit ist unsere Suche zu Ende, noch ehe sie richtig begonnen hat, fürchte ich. Es ist aussichtslos, diese Grüfte finden zu wollen. Mit sehr viel Glück weiß allenfalls Glimfáin Rat. Oder einer aus seiner Sippe. Vielleicht hat einer von ihnen diesen Namen schon irgendwo gehört. Hätten wir das alles nur schon vorgestern gewusst.«
    »Na, dann ist ja alles klar«, meinte Mellow. Er beugte sich vorsichtig vor und ächzte, sein Gesicht verziehend. »Wir müssen zurück zu Glimfáin. Weitere 60 Meilen im Sattel. Noch bin ich ja auch nicht richtig wundgeritten. Und ein Kissen habe ich bisher gleichwohl nicht erhalten. Obwohl es mir, glaube ich, unlängst höheren Orts versprochen wurde. Wann brechen wir auf?«
    »Sobald wie möglich; am besten gleich morgen früh. Wir sollten   …« Circendil kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu vollenden.
    Gerade in diesem Augenblick nämlich fiel Finns Blick aus dem Fenster, und im Viereck des offenen Rahmens sah er ein bleiches Gesicht unter einer Kapuze hervorlugen und ins Zimmer spähen; oder besser, er sah es nicht, denn es verschwand noch in derselben Sekunde, da sein Blick darauf fiel.
    Es tauchte nach unten. Zwischen Finns Entdeckung und dem raschen Ducken des Lauschenden verging nicht einmal ein Wimpernschlag. Die Kapuze verschwand wie weggezogen unter dem Fenstersims.
    Finn sprang auf.
    Er versuchte, an Circendils hoher Schulter vorbei- und über Mellows feuchte Haare hinwegzusehen, aber da war nichts mehr; nichts, außer einem Kratzen oder Schaben, das von unten kam, und einem Pochen, dem ein Schmerzenslaut folgte.
    Das nach außen aufgeklappte Fenster wurde durch einen zwischen Kante und Sims geklemmten Stab aufgehalten. Eine Hand zuckte hoch und schlug den Stab heraus.

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