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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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Scheppernd krachte das Fenster zu. Die Scheiben in ihren Streben bebten, ehe sie mit einem Knall barsten. In tausend klirrende Scherben zersprangen sie, wie ein Regen von Splittern ergossen sie sich über Mellow und Circendil.
    Finn rief eine Warnung, aber zu spät; sie ging im Aufspringen, Schreien und Erschrecken der anderen völlig unter.
    Finn warf sich herum   – und taumelte. Er stieß gegen Wilhags herbeigezogenen Stuhl, der mitsamt dem darauf Sitzenden unter ihm umkippte. Finn verfing sich an einem der plötzlich igelartig aufragenden Stuhlbeine und krachte aus vollem Schwung gegen die Zimmertür. Die Tür flog donnernd auf, und Finn landete kopfüber im Flur. Hinter ihm überschrie ein Tauber den anderen. Circendil befahl mit lauter Stimme: »Alle Lichter aus!«, doch ob jemand diesem Gebot Folge leistete, bekam Finn nicht mehr mit. Schon war er wieder auf den Beinen und rannte zur Haustür. Wilhag und Mellow stürmten hinter ihm drein, und Circendil folgte.
    Rasch nacheinander liefen alle vier in die Nacht.
    Der etwas mehr als halbe Mond war vor gut zwei Stunden aufgegangen; aber erst jetzt stand er, teilweise sichtbar, zwischen vorübereilenden Wolken am südöstlichen Himmel. Mit einem gelben Licht leuchtete er längs des Sturzes. Die Schatten fielen nach links von der Haustür fort, doch mehr als das sahen sie nicht.
    Der Garten lag bis zum Sturzzaun verlassen da.
    Ein Geschubse und Gerede schwoll hinter ihnen an, als alle, groß und klein, sich auf den Flur hinausdrängten. Einer behinderte dabei den anderen; dazwischen bellte Inku ununterbrochen. Circendil drückte die Tür ins Schloss und zog Mellow und Finn ein Stück weit ins Freie. »Still jetzt!«, zischte er, und sie lauschten angestrengt in die Nacht.
    Der Wind war mit dem Abzug des Gewitters etwas schwächer geworden, aber er blies immer noch um die Hausecken, mal stöhnend, mal seufzend. Welkes Laub tanzte hie und da, und die Halme des Grases zu ihren Füßen bogen sich Richtung Sturz. Das Schütteln an den Ästen des Walnussbaumes tat ein Übriges. Alles zusammen narrte ihre Ohren.
    Circendil warf sich kurzerhand zu Boden und presste das Ohr an die Erde.
    »Ganz gewiss Füße, die rennen«, sagte er und richtete sich auf. »Aber in welche Richtung? Dort rechts lang, glaube ich. Folgt mir.«
    Da wurde die Haustür mit großem Lärm aufgestoßen, und die Tauberfamilie quoll rufend und fragend heraus. Der Mönch wartete nicht, sondern rannte los. Trotz seines verletzten Beines bog er schon nach wenigen Sätzen um die Hausecke. Mellow und Wilhag folgten ihm, so schnell sie nur konnten.
    Finn zögerte einen Moment, dann begann auch er zu rennen, aber nicht nach rechts, sondern nach links hinüber. Er hatte außer dem pfeifenden Wind nichts gehört, schon gar keine Schritte; aber er glaubte etwas gesehen zu haben, links von der Scheune, gleich an der Tür zur Sägemühle: ein Glitzern wie von fallenden Tropfen im Mondlicht.
    Als er das Holzhaus erreichte, übersprang er den Mühlbach, der kaum zwei Schritte breit, aber über die ganze Breite des Gartens eingefasst war und mit niedrigen Holzbohlen verschalte Ufer hatte. Am jenseitigen Rand sah er dunkle Flecken auf dem schon wieder angetrockneten Holz des Bretterweges: frische Wasserspritzer! Als sei jemand beim Überqueren mitten in den Bach getreten.
    Und Finn erkannte, dass er sich nicht getäuscht hatte. Er drehte sich um, aber ihm war kein anderer gefolgt. Er rief erst Mellows, dann Wilhags Namen. Keine Antwort. Also rannte er weiter, in die Richtung, die ihm die Wasserspritzer verrieten   – nach Norden. Schon nach wenigen Sprüngen erreichte er das rückwärtige Ende der Stallungen und hastete weiter.
    Der unbefestigte Weg war noch feucht; klebrig, aber nicht mehr völlig durchnässt. Umso deutlicher sah Finn jetzt frische, verschmierte Fußstapfen darin: und sie wiesen nach vorn, zum Beukelfelsen. Er blieb stehen, um zu lauschen.
    Und richtig, da war etwas. Ein leichtes Schmatzen von Erde, irgendwo vor ihm, das ganz plötzlich aufhörte, kaum dass er selbst stehengeblieben war. Finn verhielt sich ruhig, weil er annahm, auch der andere habe seine Schritte gehört. Dann setzte das Schmatzen wieder ein, aber bedeutend langsamer als vorher. Wer immer da vorn in der Dunkelheit ging, er bewegte sich jetzt vorsichtiger.
    Finn trat fortan seinerseits so leise auf wie nur möglich, und er mied die nackte Erde, wo immer es ging. Behutsam setzte er seine Stiefel neben dem Weg ins Gras.
    Als er den

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