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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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Aufregung gelegt hatte. Die Ponys hatte Oheim Fiongar in den Stall geführt und dort mit seinen Brüdern versorgt. Opa Hámlat schüttelte derweil den beiden durchweichten Reitern die Hände und hieß sie willkommen unter dem Tauberdach. Wieder wurden trockene Tücher herumgereicht, während Frau Amadine sich der triefenden Mäntel annahm.
    Geflüsterte Bemerkungen, vor allem von den jüngeren Kindern   – »Du meine Güte, schau nur, wie groß er ist!« »Ein Helvogt? Was ist ein Helvogt, Mami?«   –, folgten den Neuankömmlingen, als der Hausherr seine späten Gäste herein an den noch gedeckten Abendbrottisch bat.
    Alle rückten noch enger zusammen. Circendil und Mellow wurden Finn gegenübergesetzt, und Wilhag räumte seinen Platz ganz. Er zog sich einen zusätzlichen Stuhl heran. Feuchtigkeit entstieg den Kleidern der beiden Reiter und schlug sich auf den Scheiben nieder. Jemand öffnete die Fenster. Nachdem beide gegessen und getrunken hatten, war die Zeit zum Reden gekommen. Hámlat stopfte sich seine unvermeidliche Pfeife, und auchMellow nahm sich gern von dem angebotenen Tiumbacokraut. Es war teurer vahindemischer Golddolden, ein vorzügliches Blatt. Im Nu pafften die beiden behaglich um die Wette.
    »Nun erzählt schon«, drängte Finn. »Wie ist es in Sturzbach gelaufen?«
    »In Sturzbach am Sturzbach?«, feixte Mellow aus seiner dicken Qualmwolke hervor. Er grinste und hob beschwichtigend die Hand, als er Finns bösen Blick auffing. »Ist ja schon gut. Was willst du zuerst hören? Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht, könntest du sagen.«
    »Könnte ich nicht, da ich ja nichts darüber weiß, du Ausbund an Schläue.«
    Mellow blies einen Rauchring und deutete mit seinem Pfeifenstiel durch das verwehende Gebilde. »Das solltest du dir auch in dein Buch schreiben, Finn. Wissen ist Macht. Und nichts zu wissen macht einen ganz schön verrückt, was?«
    »Mellow! Entweder du rückst jetzt mit der Sprache raus, oder ich schreie gleich. Das zumindest wird dich den Titel des lautesten Waldkrakeelers kosten!«
    »Dazu müsstest du erstens hinaus in den Wald, mein Lieber, und zweitens daselbst einen Davenamedhir finden, der sich darüber beklagt. Hier drinnen könntest du es allenfalls zu einem Hauskrakeeler bringen. Aber ich weiß nicht, ob das auch in Vindland zählt. Was meinst du dazu, Circendil?«
    Der Mönch schüttelte nur den Kopf. Aber er lächelte dabei. Mit einer Handbewegung forderte er Mellow auf, endlich anzufangen.
    »Na schön, also gut. Die Reise verlief ohne Zwischenfälle, das kann ich vorwegschicken. Keine Gidrogs am Himmel und auch nicht im Gebüsch. Die geliehenen Ponys erwiesen sich als keine so üble Wahl, und wir kamen zur frühen Abendessenszeit in Dreihorsten an. Wegen Circendil machten wir einen Umweg über die Felder und ritten nicht durch das Dorf hindurch. Alses dunkel wurde, kamen wir am dortigen Grenzstein vorbei und befanden uns nunmehr im Untergau. Eine Stunde später trafen wir im schönsten Mondlicht in Sturzbach ein. Wir verursachten einigen Aufruhr auf dem Weg vom Tor bis zum Marktplatz, wie ihr euch denken könnt.
    Jedenfalls, Wenan Weihe, der Untergauer Vogt, erwies sich als zwar grummeliger, aber ansonsten pflichtbewusster Landhüter. Natürlich prüfte er meinen Bestallungsbrief und musterte unseren Mönch hier mit gefurchter Stirn. Am Ende geleitete er uns persönlich bis zur Bücherey.
    Wir wurden vom alten, ehrenwerten Hilbort Stelzfuß empfangen, dem dortigen Witamáhir. Um es kurz zu machen: Ludowigs Empfehlungsbrief erwies sich als wahrer Türöffner. Von diesem Moment an ging alles schnell. Die gute Nachricht ist: In der Bücherey gibt es wirklich eine Abschrift der lorc’hennië. Das Buch, dessen Deckel kaum mehr lesbar ist und um dessenthalben er an Taddarig Sperler schrieb, entpuppte sich zu unserer Erleichterung wirklich als die von uns gesuchte Abschrift. Unser guter Circendil hier geriet ganz schön aus dem Häuschen. Er stieß einen regelrechten Schrei aus, als er es erblickte. Herr Hilbort brachte sein Sorgenkind, wie er es nannte, sogleich herbei. Und da sahen wir, was er damit meinte. Das ist die schlechte Nachricht: Der Zustand des Buches ist gelinde gesagt besorgniserregend. Irgendein Pilz hat sich in seine Seiten gefressen.«
    »Oh nein«, stöhnte Finn.
    »Oh ja. Aber   – und das ist die nächste gute Nachricht   – der damalige Schreiber hat das Buch äußerst gewissenhaft übertragen. Es ist eine peinlich genaue Colpiaarbeit, an

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