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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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nicht gefallen, den gemütlichen Stall schon so bald wieder gegen Wind und womöglich Regen eintauschen zu müssen. Die Möhre, die Finn ihm reichte, nahm er nicht.
    »He, es geht wieder nach Hause«, sagte Finn aufmunternd und liebkoste ihn. »Du solltest dich eigentlich darüber freuen, findest du nicht?«
    Smod sah ihn mit glänzenden Augen an, aber es lag keine Freude darin; dann stapfte er mit dem Huf auf und wandte sichab. »Na schön, vielleicht kommst du unterwegs auf andere Gedanken«, sagte Finn leichthin und legte ihm die Möhre für später hin.
    Wo der Dir sei, vermochte ihm sein Vetter nicht zu sagen.
    Und auch von Mellow hatte er an diesem Morgen noch nichts gehört. Wil beendete seine Arbeit, steckte die Mistgabel in einen Haltering und kam mit, um Mellow zu wecken. Sie nahmen an, er schliefe noch im Broch, wo ihm für die Nacht eine Kammer zur Verfügung gestellt worden war. Bis sie ratlos vor seinem Bett standen: Es war unbenutzt geblieben, von einem Abdruck am Rand der Decke abgesehen, wo er sich zumindest einmal hingesetzt haben musste. Die aufgeräumte Kammer war, soweit es Kleidungs- oder Gepäckstücke anbelangte, leer.
    Sie schritten rund um die Gebäude, lugten in die Sägemühle und die Werkstatt und fanden Mellow schließlich hinter der Scheune am Klippenrand sitzend, abmarschbereit mit Sack und Pack. Er lehnte, halb verborgen hinter einigen zerzausten Kiefern an einer Birke am Ufer des kleinen Wasserfällchens, mit dem der Mühlbach das Hüggelland verließ.
    Er starrte wie schon in der vergangenen Nacht sinnend über den Sturz hinaus und schien an diesem Morgen ganz und gar in den Anblick des blassrot erwachenden Himmels versunken. Seine Hand schloss sich um etwas, als sie ihn erreichten. Beinahe hastig stopfte er es in seine Tasche, als er ihre Schritte hörte. Finn ahnte, um was es sich dabei handelte.
    »Na, hier steckst du!«, sagte er leichthin. »Auch du kannst einem einen ganz schönen Schrecken einjagen, damit du es nur weißt. Wir haben dich überall gesucht. Sag, hast du überhaupt geschlafen?«
    Mellow zuckte mit den Schultern. »Die Mauern engten mich ein«, antwortete er. »Ich fand keine Ruhe. Mir war, als sollte ich etwas tun. Und als habe ich zugleich vergessen, was es ist.« Er schüttelte den Kopf und seufzte, sichtlich übermüdet und verfroren. »Vielleicht ist es nur dieser Stein, Finn. Er lässt mir keinen Schlaf. Ich frage mich unentwegt, wer ihn verloren hat. Und etwas in mir sagt, es ist wichtig, ihn zurückzugeben. Er braucht ihn.«
    »Er?«, fragte Finn erstaunt. »Wer? Von wem redest du?«
    »Von irgendwem«, sagte Mellow scharf. »Jemandem wird dieser Stein ja wohl gehören, oder etwa nicht? Ich darf ihn nicht behalten, obwohl ich es möchte. Er muss zurückgegeben werden. Davon rede ich. Dieser Stein   … ein- oder zweimal glaubte ich, seine Stimme zu hören.«
    »Wen meinst du?«, fragte jetzt auch Wilhag. »Diesen Bholobhorg?«
    Mellow beachtete seinen Einwurf nicht. »Ich darf ihn nicht behalten«, wiederholte er nur.
    »Hörst du dir eigentlich selber zu?«, fragte Finn. »Ich meine, was du sagst, das   … das klingt nicht gerade so, als täte der Stein dir gut. Du hättest ihn längst wegwerfen sollen, wie ich es gestern sagte. Du hast völlig Recht, du solltest ihn nicht behalten. Darf ich ihn einmal näher betrachten?« Er streckte die Hand aus und spürte, wie sich die Härchen in seinem Nacken aufrichteten.
    Mellow sprang auf, wich einen Schritt beiseite. Schützend legte er die Hand über die Tasche seiner Jacke. »Finger weg!«, fuhr er Finn an. »Niemand bekommt ihn zu sehen. Niemand, hörst du? Auch du nicht! Das könnte dir so passen! Du willst ihn mir wegnehmen, ja? Denk nicht mal dran!«
    »Rede keinen Unsinn, Mellow. Niemand will dir etwas wegnehmen.«
    »Ach nein? Alles soll immer hübsch für Herrn Fokklin sein, was? Du hast ein Schwert erhalten, ich dafür diesen Stein! Ich muss ihn aufheben, hörst du, ich   – damit   … damit ich ihn zurückgeben kann. Also wag es nicht und grabsch hier nicht so herum! Er braucht ihn! Verstanden? Oh ja, ich werde dafür sorgen, dass er ihn erhält!« Die letzten Worte schrie er. Sein Gesicht verzerrte sich, wurde dunkel vor Wut, und seine Hand fuhr an den Gürtel, in dem das Wacala steckte.
    »Um Amans Willen   – Mellow!« , flüsterte Finn entsetzt.
    Er trat zwei oder drei Schritte zurück. Was zum Kuckuck war mit Mellow los?
    Laut sagte er, und er schlug den unbekümmertsten Ton an, zu dem

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