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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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blies er die Kerzen aus und schloss hinter sich die Tür.
    Als es an der Tür klopfte, glaubte er, Circendil habe noch etwas vergessen. Er murmelte ein gähnendes »Na komm schon!«, und wirklich trat der Mönch ins Zimmer.
    »Guten Morgen«, sagte er zu Finns Befremden und stellte einen Kerzenhalter auf dem Tisch am Fenster ab. Finn kniff die Augen vor dem tanzenden Lichtfleck zusammen.
    »Ich hoffe, du hast wohl geruht.« Circendil schob den Vorhang zur Seite und spähte in die Finsternis hinaus.
    Inku dehnte und streckte sich, dann tapste er schweifwedelnd auf den Menschen zu. »Guten Morgen, mein junger Atruma.« Inku fiepte und leckte ihm die Hand.
    »Geruht?« Finn zog einen Bettzipfel über die Augen. »Ich habe noch gar nicht geschlafen.«
    »Doch, das hast du. Sogar eine ganze Nacht hindurch. Immerhin, ich gebe zu, es ist ein noch sehr früher Morgen. Noch ist die Nacht nicht gewichen. Aber die Sonne wird in Kürze aufgehen. Wenn wir zeitig aufbrechen wollen, so müssen wir alle früh aus den Federn kriechen. Das gilt auch für dich, mein lieber Herr Fokklin.«
    Finn rieb sich die Augen. »Das kann gar nicht sein«, begehrte er auf. »Du bist erst eben zur Tür raus und nimmst mich jetzt auf den Arm.«
    »Auf den Arm nehmen? Oh, das werde ich«, versprach derMönch grimmig. »Und sei es nur, um dich in den Hof zu tragen und dein Gesicht in eine Regentonne zu tauchen, damit du endlich munter wirst. Auf mit dir, es wird Zeit.«
    Als würde er jedes Wort verstehen, stimmte Inku bellend zu.
    »Da hörst du’s«, lachte Circendil. »Und falls das deine müden Knochen in Bewegung versetzt, so will ich dir verraten, ich habe gestern Abend und auch heute Morgen schon einen Gutteil deiner Arbeit besorgt. Ich habe mit Hámlat gesprochen, und er ist einverstanden, dass Furgo zumindest solange hierbleibt, bis er wieder auf beiden Beinen sicher gehen kann. Zum anderen habe ich deinen Vater über Stunden hinweg den Dämpfen des Lindertaus ausgesetzt. Aman meinte es gut mit mir! Er spendete mir viel Regen, nun ja; aber dafür zum Ausgleich reichlich Lindertau. Auf dem Ritt nach Sturzbach fand ich genug von Blatt und Wurzel, um mir einen kleinen Vorrat anzulegen. Nun ja, was soll ich lange reden? Es geht deinem Vater besser, glaube ich. Seine Seele ist zurückgekehrt von ihrer Wanderung, könntest du sagen. Er war erfreut zu hören, dass du hier bist. Er ist traurig über Amafilias Tod, ganz ohne Frage; aber er weiß wieder, wo er sich befindet und was geschehen ist. Über den Vorfall selbst kann er noch nicht reden, aber du solltest auch nicht zu viel verlangen für nur eine einzige Nacht.«
    »Wie werde ich«, sagte Finn, erfreut und gerührt zugleich. »Ist Papa schon wach? Kann ich mit ihm sprechen?«
    »Er schläft noch, aber du wirst die Gelegenheit dazu haben, ehe wir fortreiten, das verspreche ich dir. Was macht deine Stirn?«
    Wie es sich zeigte, machte sich Finns Stirn insoweit gut, als die Wunde sich glücklicherweise über Nacht geschlossen hatte. Dafür war ihm eine Beule geschwollen, die Circendil zunächst mit Lindertau benetzte und anschließend mit einer bräunlich-grünen Paste einrieb. Sie roch ziemlich streng nach Moder, fand Finn, und der Geruch erinnerte ihn an Frau Rana Rohrammers hölzerne Hütte im Moor, ein Gedanke, der ein Gurgeln in seinem Magen auslöste. Unwillkürlich fragte er sich, ob auch Circendils Paste womöglich heilende Gifte oder Schleim von Fröschen enthielt, aber dann wollte er es so genau gar nicht wissen. Der Belag jedenfalls trocknete rasch und sog auf unbegreifliche Weise den Schmerz aus der Schwellung, und so war er es zufrieden.
    Als der Medhir mit allem fertig war, stand er auf. Mit einem Blick auf den fiependen Welpen sagte er: »Dein junger Freund hat offenbar überaus dringende Angelegenheiten zu erledigen, die nicht länger warten können. Komm mit, Inku. Während dein Herr hoffentlich aufsteht und endlich seine Sachen packt, begrüßen wir beide die Morgendämmerung.« Inku war schon zur Tür hinaus, kaum dass Circendil sie nur einen Spalt weit öffnete.
    »Danke«, rief Finn dem Mönch hinterher.
    Dann warf er die Bettdecke beiseite und rappelte sich auf. »Und das soll also ein Schlaf gewesen sein!«, nörgelte er. »Ha! Ratz und Fatz! Das war’s, ja? Augen zu und auf! Wie soll ich mich denn ausruhen, wenn ich es nicht einmal selber mitbekomme?« Seinem verunstalteten Spiegelbild in der Waschschüssel streckte er die Zunge heraus.
    Eine kleine Weile schimpfte er so,

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