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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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Körpergröße, das kann ein jeder sehen. Aber unterscheiden wir uns denn wirklich so sehr im Fühlen und Denken? Nein. Hüteteuch darum vor Dünkel und Selbstbetrug. Es mag im Hüggelland mehr Tugend geben als in anderen Landen, das will ich nicht bestreiten. Es mag sogar mehr davon im Herzen eines dicken Hutträgers ruhen als in den Gedanken eines nur zu oft enttäuschten Davenamönchs. Wer weiß? Aber gilt das auch für einen alten, verärgerten Gauvogt? Heilige Einfalt! Ich rate nur zur Vorsicht. Mehr nicht. Und lieber warne ich vergeblich als gar nicht. So sei es drum!«
    Der Mönch blickte die Vahits eindringlich an und fuhr fort: »Aber nie ist ein Wort, das niemals eintritt! Es gibt immer und für alle Taten ein erstes Mal. Leider! Wie es auch ein letztes Mal für alles gibt«, fügte er düster hinzu.
    Damit trieb er Gwaeth voran und schloss zu dem derweil schon weit vorausgerittenen Bholobhorg auf. Allerdings blieb er zwei oder drei Ponylängen hinter dem Vahit und für sich allein. Er schlug sich fest in seinen Mantel und zog die Kapuze tief in die Stirn. Ein Stern stand über seinem Haupt, während er die Straße entlangritt, kalt und starr   – er funkelte und blinkte nicht, ehe er hinter einer heranziehenden Wolke verschwand.
    »Na sowas«, wunderte sich Finn. »Was ist denn dem über die Leber gelaufen?«
    Mellow beugte sich vor und streichelte entschuldigend Vankus Hals.
    »Na ja, er hatte einen schweren Stand gestern. Nachdem du fort warst, gab es eine Reihe von ermüdenden Gesprächen mit allen möglichen Leuten, die alles nochmals haarklein von ihm wissen wollten. Du kannst es dir gewiss vorstellen: Zuerst nahm ihn Herr Ludowig ins Verhör   – du weißt ja, wie er ist!   – und untersuchte jede Einzelheit seiner Geschichte auf Widersprüchlichkeiten. Ganz so, als ob er einen Schüler prüfe. Und Circendil musste dies und jenes umso ausführlicher erläutern, je länger es dauerte, obwohl es ihm weit dringlicher erschien, Sahaso und Kampo in Sachen Verteidigung des Hüggellandes zu unterweisen. AmEnde hatte er alles wahrscheinlich drei Mal erzählt und war mit meinen Brüdern noch keinen erkennbaren Schritt vorangekommen. Die Zeit brannte ihm sichtlich unter den Nägeln. Am Ende wurde er fast ungehalten und erklärte, es gäbe Wichtigeres zu tun.
    Als Ludowig endlich zufrieden war, kamen die Schöffen hereingeschneit. Sie hatten zusammengehockt und sich eine Reihe von brauchbaren Vorschlägen ausgedacht, wie sie sicher dachten. Na ja, es wurde schnell deutlich, wie wenig die allesamt taugten. Jedenfalls wurde Circendils Gesicht immer länger und länger. Er hatte seine liebe Mühe, unseren Alloberen das beizubringen, was er einen Kriegsplan nannte. Dabei galt es ihre Bedenken zu zerstreuen in allem, was ihre Vorstellungskraft überstieg. Das war weit mehr, als sie im Rat gesagt hatten. Immerhin nahmen sie Kampo und Sahaso bei der Gelegenheit den Eid auf die Hel ab, und Herr Wredian schickte nach jemandem, der gleich drei neue Hüte brachte.
    Drei? , fragte ich. Drei, sagte Herr Wredian, denn auch du sollst ein Helvogt sein. Du wirst mit Herrn Circendil reisen und ihn in meinem Namen unterstützen. Bist auch du bereit, den Eid zu leisten?
    Ich war es, und da hast du ihn, meinen neuen Hut.«
    Er nahm ihn ab und ließ das blaue Band nachdenklich durch seine Finger gleiten. »Ich bin für Herrn Circendils Wohlergehen verantwortlich, und darüberhinaus für das Sammeln von Nachrichten über den Feind.«
    »Ein Späher der Hel also«, meinte Finn.
    »So was in der Art.« Er stülpte sich den Hut wieder auf den Kopf. »Ich soll auf alles ein Auge haben, was fremd ist im Hüggelland, und Herr Wredian nahm mich beiseite und wies mich eindringlich darauf hin, auch unser Mönch sei ein Fremder hierzulande. Er schärfte es mir ein und fragte mich drei Mal, ob ich verstanden hätte.«
    »Mit anderen Worten   – du sollst Circendil ausspionieren?«Finn spürte, wie sich Empörung in ihm regte. »Für Wredian? Und bei sowas machst du mit?«
    Mellow zuckte mit den Schultern. »Ich dachte mir, besser ich, als wenn ein anderer diesen Auftrag erhält. Ehe Unfug dabei angerichtet wird, meine ich. Wir beide kennen Circendil und vertrauen ihm. Wir wissen, er ist ein Freund der Vahits. Vor allem ist er unser beider Freund. Andere würden es vielleicht anders sehen.«
    Er stutzte und warf einen bezeichnenden Blick auf Bholobhorg. »Oder sie haben es womöglich schon getan«, fügte er leiser hinzu. »Wir waren

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