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Der verlorene Freund: Roman (German Edition)

Der verlorene Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos María Domínguez
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Zementziegelhäusern, kaputten Gehwegen und dem ernsten Anschein der Dörfer. Der Bus fuhr ein paar Querstraßen weiter, langsam und schwerfällig wie ein Elefant, der sich nicht entscheiden kann, wo er zu Boden gehen soll, und hielt schließlich an einer Ecke der Plaza Central. Ich stieg aus und nahm mir ein Zimmer in einem Hotel, das ein kleiner Mann mit grüner Brille führte, der so aufmerksam war, mich zu warnen, nicht gegen die Rohre zu schlagen, das Heißwasser komme erst nach einiger Zeit. Die Gänge waren breit und alt, und in den Zimmern haftete die Dumpfheit der Handlungsreisenden an Papptrennwänden, billigen Türschlössern und 25-Watt-Birnen. Der Mann hatte gesagt, in den nächsten beiden Tagen fahre kein Bus nach Corrales, aber ich könne bis zu Manuel Díaz’ Zollstation fahren und hoffen, dass mich einer der Ingenieure mitnehme, die in der Mine arbeiteten, also blickte ich in den Badezimmerspiegel, hatte keineLust, mich zu rasieren, und aß in einem Lokal mit Neonlampen und Wachstuchdecken zu Abend, zwei Tische dort von Pärchen besetzt, einer von einem Kerl vor einem Weinglas. Eine Frau verscheuchte die Fliegen im Raum, und hinter der Theke drang zwischen alten Flaschen und Plastikblumen die Stimme des Radiosprechers hervor.
    Fern von Montevideo, vor mir wie so oft die Ecke eines Platzes und das Klappern eines Fahrrads, wähnte ich mich in einem Traum, in dem ich zu Abend aß. Da konnte gut und gern mein Vater vorüberkommen, meine erste Freundin, das Gespenst von Oberst Escayola, der das Gespenst Gardel gezeugt hatte, alle schwerelos, wie auch die Jahre nicht wogen, die mich dicker und älter an dieser gottverlassenen Ecke abgesetzt hatten. Waldemar schien nur noch ein Vorwand zu sein, die schwieligen, langen Hände des trinkenden Mannes ein paar Tische weiter zu betrachten, sein erdfarbenes Gesicht und sein makellos weißes Hemd im faden Licht der Neonröhren. Ich kannte solche Lokale, ihren Schafsledergeruch, den vergilbten Kalender, der in einem Winkel hing. Mit sechzehn, mit fünfundzwanzig, mit fünfzig stand ich immer noch an der Theke, kehrte jedes Mal träger an diesen Ort zurück, in dem niemals das Radio ausgeschaltet, kein Wimpel ausgewechselt, keine Flasche verrückt wurde, denn alle waren wir nur auf der Durchreise unter dem ewig gleichen Deckenventilator und den verstaubten Girlanden.
    Kurz danach brach der lange, stumme Mann auf, der Wind fegte die Blätter über die Straße, und ich ging mit dem Gedanken zu Bett, dass Hansen womöglich im selben Hotel abgestiegen war und vergeblich gegen die Warmwasserleitung geschlagen hatte. Ich wusste nicht, wohin ich mich wenden sollte, nahm am Morgen einen Bus nach Rivera, stieg an der Abzweigung zur 29er aus und hoffte in der knallenden Sonne, dass mich ein Wagen nach Corrales mitnehmen würde. Die Sturmwolken verschoben riesige Schatten über die Hügel, die sich zu beiden Seiten des Weges hoben und senkten, oben platt, als wären sie unfertig geblieben, gedrungene Büsche von einem bleigrauen, verkohlten Grün folgten den Bodenwellen zwischen den Felsen, ohne einen Schatten zu werfen. Die rötliche Erde sah hart aus, und der Staub schien ins Gestrüpp vorgedrungen zu sein und den letzten Rest von Feuchtigkeit erstickt zu haben, den sich die Wurzeln noch bewahrt hatten.
    Eine Stunde später scharrte ich mit dem Schuh im Asphaltkies, und der Nacken brannte mir, aber wie mir einmal ein junges Ding gesagt hatte, das einem Laster entstiegen war und vor Kälte zitternd neben mir stand, in einer langen Winternacht, auf einer anderen Landstraße: »nicht zu ändern …« Das sagte sie alle zwei, drei Sätze, wie eine dröge Art, sich selbst zu ertragen. Ich wiederholte es mehrmals wie eine Beschwörung, während der Teer unter meinen Füßen weich wurde und zerlief, bis mich schließlich einPick-up mitnahm. Zwei Arbeiter halfen mir, hinten aufzusteigen, ich ließ mich zwischen einer Betonmischmaschine und einer Wasserpumpe nieder, und während ich auf der gewundenen Hügelstrecke den Attacken von Gaspedal und Bremse standhielt, lächelte ich angestrengt dem jungen und dem alten Arbeiter zu, die auf dem Rand saßen, die Arme seitlich aufgestemmt, und mich neugierig ansahen, ohne auf die Stöße zu achten. Vom Boden der Ladefläche stieg weißer Staub auf, der mir in den Augen brannte, doch nach einem Stück Weg machte ich eine lange Reihe von Eisentürmen aus, die sich im Tal verloren und an denen noch Reste von Stahlseilen hingen. Der Alte sagte,

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