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Der verlorene Freund: Roman (German Edition)

Der verlorene Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos María Domínguez
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meine Kleider herumliegen ließ, nicht abspülte, laut lachte.Er kam auf seine Kosten, aber manchmal warf er mich auch hinaus.«
    Nina schlug die Augen nieder und lehnte sich zurück. Ihr Haar schien nun wie elektrisiert, als wollte es sich nicht länger bändigen lassen.
    »Wir hatten glückliche und weniger glückliche Zeiten«, fügte sie hinzu. »Aber deswegen sind Sie wohl nicht hier.«
    »Ich dachte, du wüsstest das mit der Zulassung.«
    »Sehen Sie, ein Selbstmord spritzt alles um sich voll. Ich weiß nicht, was Sie davon abgekriegt haben, aber ich habe es noch nicht abwischen können. Jetzt kommen Sie mit einer neuen Geschichte, und morgen entdeckt man womöglich, dass er in einen Betrug verwickelt gewesen ist. Walli war zurückhaltend und hatte genügend Intelligenz, um zu bezaubern. Aber Sie würden staunen, wenn Sie wüssten, was bezaubernde Leute alles verbergen.«
    »Ich zum Beispiel?«
    »Nein, Sie nicht«, entgegnete sie mit einem Lächeln.
    »Letztes Mal«, sagte ich, »haben wir am Telefon über ein Kreuz gesprochen.«
    »Er hat es aus Rivera mitgebracht. Ich weiß nicht, wie er dazu gekommen war, aber er hat mich wahnsinnig damit gemacht. Seinen Tod habe er sich an die Wand gehängt, tönte er. Hat er Ihnen das auch gesagt? Ich glaube, er wollte sich damals schon davonmachen, fand nur nicht den Mut, es mir zu sagen.War ich etwa kein Grund zu bleiben? Natürlich nicht. Nie bin ich gut genug für ihn gewesen. Es fehlte mir an Intelligenz, an Resignation, an Talent fürs stundenlange Philosophieren über die Ursprünge der Musik oder das kranke Hirn der Österreicher. Aber wissen Sie was? Die Kunst hat er geliebt, in ihr hat er eine intensivere Welt erlebt. Doch diese Intensität verlangte er auch den übrigen Stunden ab, fand sie natürlich nicht, und so staute sich in ihm Verachtung an. Für die Werbung, die Politiker, das Fernsehen, die Kassiererinnen im Supermarkt, die Geschäftsführer und Besitzer. Ich habe das auch bei anderen gesehen: Sie finden das Glück, und alles andere ärgert sie, wird minderwertig, dumm. Aber das Leben ist dumm. Es ist voller Lärm, voll gewöhnlicher Dinge, die nie, sagen wir, ein Bild ergeben.«
    Mochte bei ihr auch die eine oder andere Sicherung durchgebrannt sein, Ninas Kopf funktionierte erstaunlich gut. Allzu euphorisch, aber mehr als beachtlich. Ich sah sie reden und fragte mich, ob ich zu alt war, um heimlich ihre Lippen zu studieren. So war es wohl, und ich hörte weiter zu, wie sie ihre Auseinandersetzungen mit Waldemar schilderte. »Dieses grauenvolle Stück Eisen ließ ihn nicht los. Nie hat er mir gesagt, wo genau er es herhatte, aber eines Abends überraschte ich ihn dabei, wie er mit den Fingern die Spuren an der Wand entlangfuhr, denn er hatte es abgehängt, und als er mich sah, fuhr er zitternd zurück, presste die Hände gegen den Kopfund verbot mir, Fragen zu stellen.« Nina hatte viel Groll angesammelt, den sie zu bearbeiten hatte, an dessen rauen Momenten und dunklen Episoden sie wohl noch feilen musste, aber mich interessierte nur das, was sie mir als Einziges nicht sagen konnte. »Sicher hat er Ihnen erzählt, dass ich ihn mit Bruno hintergangen habe. Und es stimmt«, fügte sie hinzu. »Hätte er mir die Chance gegeben, ihm ein Kind zu schenken, oder einfach nur das akzeptiert, was die Leute grundlos tun, bloß aus dem Bedürfnis, sich zu betäuben, ich wäre nicht auf Brunos Annäherungsversuche eingegangen. Ausgerechnet er, der in allem einen Sinn gesucht hat, konnte meine Bedürfnisse nicht anerkennen. Bruno hat mir die Freude wiedergegeben, solange es währte, die Sicherheit, dass ich wegen nichts um Verzeihung bitten musste.«
    »Ich verstehe«, sagte ich, um sie zu beruhigen, denn ihre Lippen hatten sich gespannt, und ihr Blick wurde feindselig.
    »Das bezweifle ich. Alle Kerle haben eine verdrängte Frau im Kopf. Eine Liebe, aus der nichts wurde oder die aus irgendeinem Grund scheiterte oder immer noch möglich wäre, wenn sie nicht ihre Zeit mit der Frau verlieren würden, die sie vor sich haben. Aber wissen Sie was? Die echte Frau bin ich. Ich nehme Tabletten zum Schlafen, Tabletten zum Wachwerden und bin als Mädchen vergewaltigt worden.«
    Sie machte eine etwas theatralische Pause und fuhr fort:
    »Ich habe viele Jahre gebraucht, bis ich es nicht mehr verheimlicht habe, aber jetzt erzähle ich es Ihnen oder jedem, der mir zu nahe tritt, weil ich mir immer wieder sage, dass dieses Verbrechen nicht meines ist.«
    Sie ließ sich

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