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Der verlorene Sohn von Tibet

Der verlorene Sohn von Tibet

Titel: Der verlorene Sohn von Tibet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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Figuren, als wolle er die Lücke kaschieren.
    Shan war überzeugt, daß er diesen Dolan, den verunsicherten Dolan, zum Nachdenken bringen und sogar zum Aufbruch überreden konnte. Zumindest würde er etwas Zeit schinden können, indem er den Amerikaner dazu brachte, den toten Mönchen, die ihn heimsuchten, zunächst seine Aufwartung zu machen, bevor er sie bestahl. Andererseits ließ sich unmöglich vorhersehen, wann der wütende, brutale Dolan auftauchte, der Menschen tötete und es sogleich wieder vergaß. In dem Mann ging etwas vor, das er selbst nicht zu begreifen schien.
    Doch noch während der zweifelnde Dolan die Altäre beäugte, baute sich plötzlich Corbett vor ihm auf. »Bis hierhin und nicht weiter, Dolan«, verkündete der FBI-Agent.
    Das erweckte den zornigen Dolan wieder zum Leben. Seine Züge verhärteten sich, und er hob die Pistole.
    »Das Magazin Ihrer kleinen italienischen Knarre faßt acht Patronen«, sagte Corbett. »Drei sind noch übrig. Und wir sind zu viert.«
    »Wenn ich einen oder zwei erschieße, wird das die anderen umstimmen«, spottete Dolan.
    Corbett schüttelte den Kopf. »Gleich wird folgendes passieren. Ich gehe auf Sie los und kann vielleicht die Waffe beiseite schlagen. Womöglich verpassen Sie mir eine Kugel, womöglich auch nicht. Aber ich bin ziemlich kräftig, und Sie sind ein lausigerSchütze. Ein einziger Treffer wird mich nicht sofort ausschalten, und die anderen werden genug Zeit haben, Ihnen die Pistole abzunehmen. Ohne Waffe sind Sie ein ganz gewöhnlicher Plünderer.«
    »Doch was auch immer geschieht, Sie sind dann tot.« Dieses neue Spiel schien Dolan zu gefallen.
    Corbett zuckte die Achseln. »Darüber denke ich schon die ganze Zeit nach. Die Menschen hier, denen Zhoka wirklich gehört, sind viel wichtiger, als Sie es jemals sein werden. Ich habe niemanden mehr. Falls ich hier sterbe, weiß ich, daß jemand wie Lokesh bei mir sitzen und die richtigen Worte sagen wird. Wissen Sie, was dieser Ort mich vor allem gelehrt hat? Ganz egal, wie sehr Leute wie Sie in der Welt herumpfuschen, die wahren Dinge bleiben wahr. Es gibt immer eine neue Chance.«
    Die Waffe in Dolans Hand zitterte. Er umklammerte sie mit der anderen Hand und richtete sie unvermittelt auf Shan. »Ich muß weder Sie noch Yao töten, um Sie aufzuhalten. Ich werde Shan erschießen, falls Sie näher kommen. Er hat all das hier verursacht. Er hat mich hergelockt. Ansonsten wäre ich … ich wäre zu Hause geblieben und hätte andere geschickt. Ihr anderen könnt gehen, aber er muß sterben. Was auch geschieht, er ist erledigt. Er ist wie einer dieser verfluchten Schutzdämonen, die glauben, sie könnten mich verscheuchen. Sie glauben, daß Dolan tötet. Sie glauben, daß Dolan die schönen Dinge nicht zu schätzen weiß.«
    Shan rührte sich nicht. Dolans Augen funkelten. Er trat einen Schritt vor und spannte den Hahn der Waffe. »Ihr haltet Dolan also für einen lausigen Schützen? Na, dann paßt mal auf.«
    Etwas huschte von der Seite in Shans Sichtfeld. Es war ein Arm, der ihn wegstieß, als Dolan abdrückte. Verwirrt sah Shan, in dessen Ohren der Schuß dröhnte, daß Yao zusammenzuckte, sich wie in Zeitlupe an den Bauch faßte und auf die Knie fiel. Dolan wich erschrocken zurück und öffnete den Mund, als wolle er etwas beteuern. Dann, noch immer wie in Zeitlupe, hechtete Ko auf Dolan zu. Er traf ihn mit vollerWucht und schlang beide Arme um ihn, so daß die Hand mit der Waffe gegen Dolans Leib gepreßt wurde. Dann drängte er den Amerikaner zurück, brachte ihn aus dem Gleichgewicht und ließ ihn unter die grüne Nordmarkierung torkeln. Danach verschwanden die beiden.
    »Nein!« schrie Shan und lief zum Wasser am Rand der Kammer. Ko war mit Dolan direkt in den Strudel gefallen. Sie hatten sich in Luft aufgelöst.
    Er drehte sich um und sah Corbett neben Yao knien. Der Inspektor lehnte sitzend an einem der Altäre und sagte etwas. Seine Hand hielt er an den Unterleib gepreßt. Sie war blutig.
    »Gehen Sie!« rief Yao. »Vielleicht konnte Ko sich irgendwo festhalten! Sie alle beide! Schnell!«
    Shan zögerte und musterte die Verletzung des Inspektors. Der rote Fleck auf seinem Hemd wurde immer größer.
    »Das ist nichts!« sagte Yao barsch. »Gehen Sie!«
    Drei Minuten später erreichten Shan und Corbett den Anfang der Wasserrinne, die bis zu dem Loch in der Felswand verlief. Auf dem Weg nach unten leuchteten sie hastig beide Ränder ab. Am Ende, dort, wo das Wasser hinaus in den Abgrund stürzte,

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