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Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Coleman Finlay
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beugen zu lassen. Dennoch hüpfte ihr das Herz vor Freude bei seinem Anblick. Ihm war nichts zugestoßen. Nur das zählte.
    Rose lachte laut, als sie ihn sah. »Er ist wirklich hässlich«, sagte sie zu Frosty. »Was für ein kümmerlicher Wicht.«
    Er war klein für seine zwölf Winter, nicht einmal sechs Fuß hoch. Sie hatte die Hoffnung, er wäre vielleicht noch nicht ganz ausgewachsen, fürchtete aber, dass er nicht viel größer würde. Die meisten Trolle hatten in seinem Alter bereits ihre volle Größe erreicht. Auch in anderer Hinsicht war er zu klein geraten, mit den sehnigen Muskeln, dem fehlenden Bauch und den Beinen, so lang und schlank wie eine Missgeburt. Seine Arme erreichten nicht einmal dann den Boden, wenn er sich bückte; dazu musste er sich erst niederkauern. Seine Haut war bleich und glatt und so dünn, dass sie bei der kleinsten Abschürfung aufplatzte. Sein borstiges, schwarzes Haar war lang gewachsen und glänzte fürchterlich. Es hing ihm über den Rücken, die Enden dort, wo sie es abgekaut hatte, ausgefranst.
    Aber hässlich?
    Niemals. Nicht in ihren Augen.
    Stinky, das junge Männchen, hoppelte herbei, um ihn zu begrüßen. Er zeigte seine Zähne und trommelte eher eine Warnung als einen Gruß auf seine Brust. Vermutlich war es Stinkys Duftmarke gewesen, die sie gerochen hatte. Made wich keinen Zoll zurück, und obwohl das Trommeln seiner kleinen Fäuste auf seiner dürren Brust im Vergleich zu Stinky ebenso schwächlich wirkte wie die Zähne, die er als Antwort zeigte, war etwas an ihm, das Stinky aufhören ließ.
    »Hallo Flaz«, sagte Made. »Schön, dich zu riechen.«
    »Hallo.« Der Augenbrauenwulst des Trolls neigte sich nach unten. »Du stinkst immer noch nach Milch.«
    Das war eine Beleidigung. Windy gesellte sich hastig zu ihrem Sohn, bereit einzugreifen. »Das sind unsere Freunde, Made.«
    Er lächelte, ein breites und aufrichtiges Grinsen, das sich scharf von den lila Monden der Schlaflosigkeit abhob, die wie Pfützen unter seinen Augen prangten. »Oh, gut. Ich habe versucht, dich einzuholen. Ich habe nämlich eine Überraschung.«
    Ohne ein weiteres Wort der Begrüßung, wie es eigentlich angebracht gewesen wäre, eilte er zurück in den Wald. Hinter ihm flog ein Stein durch die Luft - Rose hatte ihn geworfen -, traf ihn jedoch nicht. Kurz darauf kehrte er zurück und zog einen Bock hinter sich her, einen der schwer aufzuspürenden Weißschwänze mit sechs Spitzen an seinem Geweih. Made hatte ihn mit einigen Ranken an ein Paar lange Stöcke gebunden. Windy wusste nicht, wo er so etwas gelernt hatte. Einem Troll würden solche neuen Dinge niemals einfallen.
    Die anderen Mitglieder der Horde rannten herbei. Das Tier war schon ein paar Nächte tot, und Made hatte sich offenbar große Mühe gegeben, seinen Geruch vor den Aasfressern zu verbergen. Der Kadaver roch nach Erde und Urin und Trollkraut, doch unter all dem duftete er einfach köstlich.
    »Aas?«, fragte Kleiner Donner.
    »Nein«, sagte Made. Er stand aufrecht da und starrte dem entspannt vor ihm kauernden Troll direkt in die Augen. Windy begriff auf einmal, dass er nur deshalb ständig in dieser aggressiven Haltung verharrte, um so groß zu sein wie ein am Boden hockender Troll. »Ich habe es gejagt und getötet wie ein Großzahn es tut.«
    Kleiner Donner prustete spöttisch. »Und wie? Mit deinen furchteinflößenden Zähnen?« Er entblößte seine eigenen, und alle lachten.
    Alle außer Windy. Und Made. Er bückte sich und zog etwas aus der Seite des Bocks. »Mit diesen Zähnen«, sagte er und zeigte die angespitzten Stöcke, mit denen er in letzter Zeit immer spielte.
    Kleiner Donner zeigte wieder die Zähne, richtete sich kurz zu seiner vollen Größe von acht Fuß auf und sank dann erneut in die Hocke. Einige der anderen trommelten sich warnend auf die Brust.
    Menschen verwendeten spitze Stöcke wie diese, um Trolle zu verletzten, deshalb stahlen Trolle sie, wann immer sie konnten, und versteckten sie tief in den Höhlen, wo die Menschen sie niemals fanden.
    »Das sind unsere Freunde«, wiederholte Windy.
    »Dann sollen sie essen«, sagte Made. Wieder lächelte er sie an.
    Der Hunger übertönte sämtliche Standpauken, die sie ihm eigentlich hatte halten wollen. Stattdessen durchtrennte sie die Ranken, mit denen Made den Bock an den Stäben festgebunden hatte. In der Flanke des Tiers entdeckte sie die abgebrochene Spitze eines Stocks. Made musste dem Kopf mit den Hörnern sehr nahe gekommen sein, um den Bock dort zu

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