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Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Coleman Finlay
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etwa hundert Fuß seitwärts zurücklegen, um die beiden zu erreichen. Während er sich langsam auf den Weg machte, begann Made, an Steinchens Füßen zu zerren.
    Wolke keuchte. »Er wird sie runterziehen. Hör auf! Hör auf! Warte auf Stumpf!«
    »Ich glaube nicht, dass er das vorhat«, flüsterte Windy, während sie noch rätselte, was Made bezweckte. Obwohl das Fell ihre Augen bedeckte, rührte Steinchen sich nicht vom Fleck.
    »Wartet!«, brüllte Stumpf. »Ich bin fast bei euch!«
    Aber er hatte noch ein gutes Stück vor sich und war an einer Stelle angelangt, wo seine Zehen keinen Halt mehr fanden. Windys Mutter zupfte an ihrem Arm. Jenseits der Berge erglühte der ganze östliche Himmel in einem leuchtenden Orange. »Komm!«, sagte sie, die Stimme hart wie Granit. »Wir haben immerhin ein Mädchen gerettet. Nun müssen wir zu den Höhlen. Sofort!«
    »Warte«, flehte Windy.
    Der tiefe Schatten der Schlucht bot kaum noch Schutz vor dem Tageslicht; nun verspürte auch sie den unwiderstehlichen Drang zu rennen. Endlich funktionierte Mades Plan. Er nahm Steinchens Fuß und setzte ihn auf einen tiefer gelegenen Halt. Sie verlagerte ihr Gewicht darauf, und der Bann war gebrochen.
    Zuerst langsam, dann immer schneller kletterten und rutschten die beiden Kinder die Felswand hinunter. Stumpf rief ihnen aufmunternde Worte zu, während er selbst eilig den Weg nach unten einschlug. Nachdem die Kinder fast die Hälfte des Wegs zurückgelegt hatten, kam ein Wanderfalke aus der Sonne geflogen und stieß neugierig zu ihnen hinab. Windy, die wegen des nahenden Tageslicht allmählich panisch wurde, fürchtete bereits, sie könnten durch den Sturzflug des Vogels ihren Halt verlieren, aber die beiden bemerkten den Falken nicht einmal, bis er wieder abdrehte.
    »Kommt schnell, ihr habt es fast geschafft«, rief Wolke.
    Steinchen zog sich das Fell vom Kopf und ließ es zu Boden fallen, während sie das letzte Stück des Steilhangs hinabstolperte und in die Arme ihrer Mutter flog. Wolke nahm ihre Tochter auf den Rücken und schlug zusammen mit Windys Mutter hastig den Pfad zu den Höhlen ein. Windy suchte unter den Bäumen Deckung, die zwischen den Felsen und dem Fluss wuchsen, dort, wo die Nacht immer noch hartnäckig verharrte. »Komm weiter, Made! Ich warte hier auf dich!«
    Seine dünnen Spinnenarme und Spinnenbeine zitterten, während er vorsichtig Fuß um Fuß den Felsen hinabkletterte. Stumpf, der mittlerweile selbst zu den Höhlen hastete, hielt kurz inne, als er an ihr vorbeikam. »Dein Sohn ist ein guter Troll«, sagte er.
    »Danke«, sagte sie und schaute zu der zierlichen, kleinen Gestalt empor, die immer noch zwei Dutzend Fuß hoch in der Felswand hing. Als er auf einmal in die Tiefe fiel, sprang sie herbei, fing ihn auf und drückte ihn fest an sich, um seinen zitternden Körper zu beruhigen. An Brust, Armen und Oberschenkeln war seine Haut aufgeschürft, seine Finger und Zehen bluteten, und seine Zähne klapperten. Sie nahm sein Fell und wickelte ihn darin ein, während sie mit ihm in die schützende Dunkelheit eilte.
    »Wir haben sie gerettet, nicht wahr?«, sagte er stolz.
    »Ja, das haben wir«, flüsterte sie mit leiser Stimme, die nur er hören konnte. »Du bist ein guter Troll.«
    »Ich bin der beste Troll. Selbst Stumpf ist nicht so gut wie ich.«
    Hinter dem Höhleneingang wartete ihre Mutter auf sie, die Stirn gerunzelt. »Ich denke, für heute ist es zu spät, um eine Abstimmung durchzuführen. Wir sollten abwarten, was der Sonnenuntergang bringt.«
    Windy schmatzte zustimmend.
    »Aber du gibst Ambrosius frei. Er soll sich mit einer anderen paaren.«
    Windy hob erleichtert den Kopf und schmatzte erneut mit den Lippen. Ihre Mutter schnaubte und wanderte in die tiefe Dunkelheit davon, während Windy Made in ihren Armen wiegte. »Ich werde dich nie wieder gehen lassen, hörst du mich?«, flüsterte sie.
    Er lachte sie an und strampelte, um sich aus ihrem Griff zu befreien.

Kapitel 9

    Das Brausen des Wasserfalls toste in Windys Ohren, obwohl sie noch zu weit entfernt war, um ihn zu sehen. Sie blieb in der bläulichen Nacht stehen, kratzte ihre breite Nase und sog den fernen Dunst des Wassers in sich auf. Der scharfe Geruch der Fichten und Helmlocktannen mischte sich mit einem Dutzend schwächerer Düfte, aber die Witterung, die sie suchte, entdeckte sie nicht. Irgendwo unterwegs hatte sie Made verloren. Er war schon seit zwei Nächten weg. Natürlich war er mittlerweile alt genug, um auf sich selbst

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