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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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»stehst du fest mit beiden Beinen auf der Erde?«
    »Klar. Denkst du, ich schwebe?«
    »Unter deinen Schuhen liegt nämlich das Geheimnis verborgen, das deinen Bruder wieder zur Vernunft bringen könnte.«
    Ich sagte nichts darauf. Proxi hatte recht, unter meinen Füßen, wie tief auch immer, gab es eine Kammer, die die Yatiri versiegelt hatten, bevor sie in die Verbannung gegangen waren. Und darin verbarg sich das Geheimnis ihrer seltsamen Programmiersprache. Sollte es für meinen Bruder überhaupt eine Hoffnung geben, jemals wieder ein eigenständiges Leben führen zu können, dann ruhte sie unter meinen Schuhen, wie meine Lieblingssöldnerin gesagt hatte. Hier war sie, die heilige Stätte, der wichtigste Ort in ganz Taipikala. Die Yatiri hatten viele wertvolle Dinge dort zurückgelassen, weil sie gehofft hatten, eines Tages wiederzukommen oder zumindest einer in Not geratenen Menschheit zu helfen. Doch das wußte niemand außer uns und vielleicht der Doctora. Immerhin hatte sie mit Pauken und Trompeten verkündet, sie wolle der Welt beweisen, daß Lakaqullu ein bedeutender Ort sei.
    »Also gut«, begann ich mit neuem Elan. »Wir werden uns aufteilen. Irgendwo hier müssen Hinweise zu finden sein, wo der Zugang zu den Schächten ist.«
    »Das Tor ist der Mittelpunkt«, erklärte Jabba und erklomm die Stufen. Dann stellte er sich direkt davor hin, breitete die Arme aus und berührte die Türpfosten mit den Händen.
    »Wenn die dreistufige Pyramide rechteckig ist, wie wir gelesen haben, und es zwei Eingangsschächte gibt, wie auf dem Sockel des Gottes Thunupa angedeutet, ist anzunehmen, daß dieses Tor hier die Richtung angibt. Also gehst du, Root, von hier aus nach rechts«, er wies mir mit der rechten Hand den Weg, »und du, Proxi, gehst nach links.«
    »Hör mal, du Großmaul.« Entrüstet stemmte sie die Hände in die Seiten. »Und was machst du?«
    »Wache stehen, für den Fall, daß die Doctora kommt. Ihr wollt doch nicht, daß sie uns erwischt, oder?«
    »Mann, bist du dreist!« rief ich lachend und marschierte vom rechten Pfosten des Mondtores aus nach Osten.
    »Das kannst du wohl laut sagen!« rief Proxi, die die entgegengesetzte Richtung einschlug.
    Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch stapfte ich durchs kniehohe Gebüsch. Mein natürlicher Lebensraum war die Stadt mit ihrer Luftverschmutzung, ihrem Beton und ihrer Hektik, und der gewohnte Boden unter meinen Füßen war der Asphalt. Die tiefe Stille ringsum, untermalt vom unaufhörlichen Zirpen der Grillen, überforderte mein Gehör. Und durch die Natur zu streifen und im Gestrüpp herumzustaksen, in dem sich die beunruhigende Anwesenheit unbekannten Getiers erahnen ließ, bekam mir überhaupt nicht. Ich war nie eines dieser Kinder gewesen, die Käfer, Seidenraupen oder Eidechsen gesammelt hatten. In meine jetzige Wohnung in Barcelona verirrte sich trotz des Gartens nicht eine einzige Fliege, nicht die kleinste Ameise und auch kein anderes Insekt - Sergi tat alles, um dies zu verhindern. Ich war ein Stadtmensch, gewohnt, abgasgeschwängerte und klimatisierte Luft einzuatmen, ein flottes Auto durch überfüllte Straßen zu lenken und mittels fortschrittlichster Technologie mit der Welt zu kommunizieren. Die freie Natur war einfach Gift für mich. Gebt mir einen Punkt, wo ich stehen kann, und ich werde die Welt bewegen, hatte Archimedes gesagt; gebt mir eine Glasfaserleitung und einen Computer, und ich werde es mit der Welt aufnehmen. Ich stelle sie sogar auf den Kopf, aber laßt mich nicht wie Heidi durch Wiesen und Felder laufen, das macht mich ganz krank.
    Ich war nun einmal hier, und so arbeitete ich mich wohl oder übel durchs Unkraut vorwärts, das Rückgrat gekrümmt wie ein baumwollpflückender Sklave. Mit den bloßen Händen schob ich das Dickicht auseinander und suchte den Erdboden nach etwas ab, das wie ein Helm, ein außerirdisches Tier oder ein Raumschiff aussah. Da hatte ich mir was eingebrockt!
    »Du driftest ab, Arnau!« rief Jabba hinter mir her. »Geh ein bißchen weiter nach rechts!«
    »Mach’s doch selbst!« zischte ich durch die Zähne - und tat, was er sagte.
    Ganz langsam, Schritt für Schritt, kam ich voran, wich den von Gesträuch überwucherten kantigen Steinen aus, mit denen das Gelände übersät war, und paßte auf, daß mir keine der riesigen Ameisen in den Finger biß.
    Ich hatte keine dreißig Meter zurückgelegt, da hörte ich hinter mir einen Aufschrei. Rasch drehte ich mich um und sah, wie Jabba in Proxis Richtung die

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