Der verlorene Ursprung
Laßt sie nur reden.«
»Mensch, Jabba! Hast du jemals erlebt, daß ich über so was Witze mache?«
»Meinst du damit, du weißt wirklich, wie diese Tür aufgeht?« Jabba war ehrlich erstaunt.
»Aber natürlich!« sagte sie hochzufrieden - und schürzte die Lippen: »Na ja, zumindest glaube ich, es zu wissen.«
»Warum erklären Sie es uns dann nicht, Lola?« fragte die Doctora neugierig.
Statt einer Antwort blinzelte Proxi mich geheimnisvoll an. Mir rutschte das Herz in die Hose.
»Arnau weiß es. Sprich, Orakel.«
»Ich soll was wissen?«
»Was hast du denn Schweres in deiner Tasche?«
Ich runzelte nachdenklich die Brauen, und auf einmal fiel es mir wieder ein. »Die Steintafel mit den vielen Löchern.«
Marta Torrent sah mich fragend an.
»Als wir den ersten Kondorkopf hinter uns hatten«, erklärte ihr Proxi, während ich die Tasche öffnete, um die Platte herauszuholen, »haben wir eine Steinplatte gefunden, die etwa so groß ist wie das Feld auf dieser Tür. Sie hat außerdem lauter Löcher, die mehr oder weniger die Größe der Tocapus in diesem Feld haben. Wenn wir diese Platte auf das Feld halten, kommt bestimmt genau das heraus, was wir suchen.«
»Gut kombiniert.« Die Doctora wandte sich zu mir. »Geben Sie sie mir?« Sie streckte mir die Hand entgegen. Es wäre ganz schön unhöflich von mir gewesen, sie ihr zu verweigern. »Ich sehe schon. Sie hat offenbar die gleiche Größe wie das Feld hier, und auch die Löcher scheinen ungefähr so groß zu sein wie die Tocapus.«
»Also funktioniert die Platte wie eine Schablone. Sie läßt die wichtigen Tocapus frei«, sagte ich. »Oder aber man muß auf die frei bleibenden Tocapus drücken.«
»Und wie kriegen wir heraus, wie herum wir sie drehen müssen?« fragte Jabba.
»Das wird sich zeigen, wenn wir sie gegen die Tür halten.«
Doch so einfach war das nicht. Zwar gelang es mir, die steinerne Schablone vor das Feld zu legen, nur konnte dann keiner mehr die Tocapus sehen. Und wenn Jabba die schwere Tafel hielt, nützte uns das bißchen, was ich sah, auch nichts, weil ich es nicht verstand. Wir wagten auch nicht, auf die Tocapus zu drücken, ohne ihre Bedeutung zu kennen, aus Angst, es würde das gleiche passieren wie bei der vorherigen Aufgabe: der Boden würde einfach nachgeben oder die Decke über unseren Köpfen einstürzen. Deshalb beschlossen wir zur Sicherheit, auf die bewährte Fotomethode zurückzugreifen. Als Orientierung zeichnete Jabba mit einem Kuli einen winzigen Punkt auf den unteren Teil der Steinplatte, danach hielt er sie gegen das Feld, und ich machte mit gestreckten Armen ein Foto davon. Dann drehten wir die Tafel um und wiederholten das Ganze. Nachdem beide Bilder im Laptop gespeichert und aufgerufen waren, ging Marta ans Werk.
»Das erste Foto bedeutet nichts«, war ihr Kommentar, während sie sich den Bildschirm genau anschaute, »aber auf dem zweiten erscheint ganz deutlich ein Text: >Nimm den Stab von der Tür, und es wird für dich sichtbar werden, was verschlossen ist, der Reisende und die Worte, Ursprung und Schicksal.«« »Ja, gut«, murrte ich widerwillig. »Aber wie entfernen wir den verdammten Stab von der Tür? Eine tolle Hilfe! Ich sehe überhaupt keinen Stab.«
»Immer mit der Ruhe«, sagte Jabba, »den Stab brauchen wir nicht. Wir werden auf die Tocapus drücken.«
»Und wenn der Boden sich senkt?«
»Wer nicht wagt, der nicht gewinnt«, bemerkte Proxi. »Was sagen Sie dazu, Doctora?«
»Probieren wir es aus. Bei dem geringsten Anzeichen von Gefahr rennen wir los.«
»Oder klammern uns an die Pumaköpfe«, schlug Jabba grinsend vor.
Da ich der größte war, kam mir die Ehre zu, nacheinander auf die von der Tafel ausgesparten Aymara-Symbole zu drücken. Kaum war ich mit dem letzten fertig, da hörte ich auf Höhe meines Bauchnabels ein Zischen wie von plötzlich entweichender Druckluft. Erschrocken fuhr ich zurück und sah, wie sich eine senkrecht in der Tür sitzende steinerne Leiste löste. Sie war etwa so dick wie ein Besenstiel und reichte über die ganze Länge der Tür. Die Leiste bewegte sich auf mich zu.
»Mann, hab ich mich erschrocken!« Mein Herz raste. »Ich dachte, gleich kracht hier alles zusammen.«
»Geh mal zur Seite, Arnau«, sagte Jabba. »Mach uns auch ein bißchen Platz.«
»Ein weiterer Beweis für die handwerkliche Geschicklichkeit der Tiahuanaco-Kultur«, murmelte Señora Torrent bewundernd. »Ich habe noch nie zuvor so perfekt aneinandergefügte Steinplatten gesehen. Noch vor
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