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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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wir, daß Tiahuanaco-Taipikala bereits Kilometer hinter uns lag und wir uns, dem Kompaß zufolge, westlich davon befanden.
    Endlich, um fast vier Uhr morgens, stießen wir - mehr tot als lebendig - auf eine Treppe, die nach oben führte. Allerdings nicht ohne Schlußpointe.
    Kaum hatte ich den Fuß auf die erste Stufe gesetzt - ich lief an der Spitze - und mich vergewissert, daß sie nicht von glitschigem schwarzen Moos überzogen war, durchbrach die rauhe Stimme des hinter mir hertapsenden, ausgebrannten Jabba das dumpfe Schweigen.
    »Root, du hast was übersehen.«
    Ich drehte mich um. Was er von mir wollte, war mir eigentlich egal, ich sah ihn stumm an, dieses Schwergewicht mit dunklen Ringen unter den Augen und rötlichen Schatten auf dem fahlen Gesicht. Unbewegt deutete er auf die Wand, in der sich neben dem Treppenaufgang etwa auf halber Höhe eine Nische befand.
    Ich ging einen Schritt zurück, stellte mich vor die Vertiefung in der Wand und beleuchtete die Nische. Vor mir lag wie auf dem Pult, das wir hinter dem ersten Kondorkopf entdeckt hatten, ein steinerner Gegenstand, der >Nehmt mich mit< zu sagen schien. Es war ein einfacher Ring, ähnlich einem dicken, schweren Armreif. Der flache, runde Stein mit einem Durchmesser von zirka zwanzig Zentimetern war ungefähr vier oder fünf Zentimeter dick und hatte in der Mitte ein Loch. Die Doctora, das Schlußlicht der Kolonne, überholte Proxi - selbst sie war nicht im geringsten begeistert über die Entdeckung -und trat neben Jabba, um den Gegenstand näher zu untersuchen.
    »Ist Ihnen aufgefallen, daß dort ein Pfeil eingraviert ist?« fragte sie müde.
    Tatsächlich. Auf der Oberseite des steinernen Reifens war eine einfache, aus zwei zusammenlaufenden Strichen bestehende Pfeilspitze eingraviert.
    »Sollen wir diesen Donut etwa mitnehmen?« fragte Jabba verächtlich. Kein Zweifel, er hatte Hunger.
    »Ich würde sagen, ja«, antwortete ich. »Aber diesmal ist jemand anders dran mit Tragen, ich habe vorhin schon die schwere Platte geschleppt.«
    »Mann, bist du kleinlich«, sagte er matt, griff aber trotzdem mit der rechten Hand nach dem Steinring. Doch kaum hatte er ihn an sich genommen, da hörte man oben an der Treppe ein Quietschen und Schleifen von Zahnrädern und Rollen. Noch bevor wir reagieren konnten, streifte uns ein Hauch frischer Luft, drang uns verlockend in die Nase und bis in die Lunge.
    »Der Ausgang!« rief ich erleichtert und rannte mit klopfendem Herzen blindlings die Treppe hinauf. Ich mußte raus aus diesem Loch.
    Das erste, was ich sah, war der Himmel, ein wunderschöner, sternenübersäter Himmel. So ein riesiges Sternenmeer hatte ich noch nie angestaunt. Dann schaute ich mich um. Weites, freies, tiefschwarzes Land umgab uns. Erst jetzt spürte ich die eisige Kälte, und mir war, als hätte man mich plötzlich in eine Gefriertruhe gesteckt. Wegen des Temperatursturzes mußte ich niesen, und während die anderen nacheinander aus der Erde hervorgekrochen kamen und ihre Platzangst abschüttelten, verbrauchte ich gleich mehrere Papiertaschentücher. Es herrschten sicher mehrere Grad unter Null, und wir trugen nur die leichte Kleidung, die wir am Vortag angezogen hatten. Auch Jabba und Proxi erfaßte plötzlich ein vehementer Niesreiz, und ein wahres Konzert begann. Nur Marta blieb verschont, sie schien geradezu immun zu sein gegen die frostige Kälte des nächtlichen Altiplano. Ich beobachtete, wie sie seelenruhig erst in die eine, dann in die andere Richtung blickte und sich schließlich für die zweite entschied.
    »Das Dorf Tiahuanaco ist nicht weit«, sagte sie und marschierte los, hinaus in die dunkle sibirische Steppe.
    Mit gezückten Taschentüchern folgten wir ihr.
    »Woher wissen Sie das?« fragte ich sie zwischen zwei Niesern.
    »Weil dieser Berggipfel dort drüben«, sie zeigte auf einen riesigen, fernen Schatten, den man in der Finsternis kaum wahrnahm, »der Illimani ist, der heilige Berg der Aymara. Und dort drüben liegt das Dorf. Ich kenne diese Gegend genau. Ich habe als kleines Mädchen oft hier gespielt.«
    »In dieser Einöde?« fragte Lola überrascht.
    »Ja, in dieser Einöde«, murmelte sie. »Mit drei Monaten bin ich zum ersten Mal mit meinen Eltern nach Bolivien gereist. Dann war ich immer nur während des Schuljahres in Barcelona, und das hat sich erst geändert, als ich heiratete, Kinder bekam und das Studium beendete. Eigentlich bin ich halb Bolivianerin.
    Ich war mit den Kindern aus dem Dorf Tiahuanaco befreundet,

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