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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Militärflugplatz El Alto ab, und während der fünfzig Minuten bis zu unserer Ankunft veränderten sich sowohl die Landschaft als auch das Klima radikal: Von der trockenen Kälte des mehr oder weniger besiedelten Altiplano, viertausend Meter über dem Meeresspiegel, wechselten wir in eine dreitausend Meter tiefer gelegene drückend schwüle Urwaldregion. Ich war überzeugt, daß die Militärs uns wegen der Macheten, Messer und Klingen festnehmen würden, sobald unsere hundertsoundsoviel Kilo Gepäck durch die Sicherheitskontrolle geschleust würden. Doch viel zu wenige Flughäfen auf der Welt führen selbst nach dem Attentat vom 11. September derartige Kontrollen durch - und der von El Alto schon gar nicht. Unsere gefährlichen Waffen gelangten ohne die geringsten Schwierigkeiten in den Frachtraum. Efrain erklärte uns, es sei auf allen Flügen in Urwaldregionen üblich, daß die Passagiere eine solche Ausrüstung mitnähmen, und daher betrachte man sie nicht als Waffen. Wie wir gehofft hatten, verlangte man auch keine Ausweise von uns. Zum Glück, denn sowohl Marc als auch Lola und ich hatten nichts weiter dabei als unsere spanischen Personalausweise. Wir wollten nicht riskieren, unsere Reisepässe, die uns am Ende wieder nach Hause bringen sollten, im Urwald zu beschädigen oder gar zu verlieren. Der arme Marc schwitzte Blut und Wasser während des Flugs. Obwohl die Reise kurz und recht angenehm war, schwor er mit kaum vernehmbarer Stimme, er würde, wenn überhaupt, nur per Schiff nach Spanien zurückkehren. Er ließ sich auch nicht belehren, daß es die großen Schiffahrtslinien, die noch zu Zeiten der Titanic Seereisen über den Atlantischen Ozean angeboten hatten, schon lange nicht mehr gab. Er schwor Stein und Bein, daß er entweder eine Schiffspassage auftreiben oder für den Rest seines Lebens in Bolivien bleiben würde. Der Transit der TAM, oder die Buseta, wie man dort sagte, brachte uns zu den Büros der Gesellschaft mitten in Rurrenabaque. Wir waren direkt auf der Landepiste ausgestiegen, wenn man diese mit hohem Gras überwucherte Wiese so nennen will, die nicht von Leuchtmarkierungen, sondern vom Urwald begrenzt wurde. Bei Regen verwandelte sich der Boden dieser Schneise bestimmt in einen einzigen unpassierbaren Sumpf, stellte Lola entsetzt fest.
    Im Zentrum von Rurrenabaque gerieten wir in den bunten Haufen Touristen jeglicher Nationalität, die dort auf die Zutrittsgenehmigung für den Nationalpark warteten. Wir flüchteten uns erst einmal in eines der Dorflokale, um etwas zu essen, bevor wir uns eine Transportmöglichkeit in die Nähe der Stelle organisierten, von der aus wir uns in den Madidi-Park schleichen wollten. Wir hatten Glück, denn am Anleger - dem neuralgischen Treffpunkt von Rurrenabaque - stand nur noch ein Toyota direkt am Ufer des Río Beni. Wir konnten ihn für wenige Bolivianos bei seinem Besitzer mieten, einem alten Indio vom Tacana-Stamm, der sich als José Quenevo vorstellte. Zeichen- und wortreich erklärte er sich bereit, uns für einen kleinen Aufpreis persönlich zu fahren, wohin wir wollten. Der Río Beni bot zu dieser Abendstunde ein faszinierendes Bild: Das Flußbett war so breit wie vier Autobahnen nebeneinander, und am anderen Ufer konnte man die Häuser aus Lehmziegeln mit Palmdächern von San Buenaventura erahnen, dem kleinen Nachbardorf von Rurre (wie die Bewohner ihren Ort abkürzten). Sieben oder acht Holzkanus, lang wie Eisenbahnwaggons und so schmal, daß die Insassen in einer Reihe hintereinanderhockten, verkehrten mit Gemüse und Vieh beladen zwischen beiden Ortschaften.
    Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich trotz der drückenden Hitze einfach großartig beim Anblick der Landschaft mit ihren grünen Hügeln, dem breiten Fluß und dem blauen Himmel mit den weißen Wattewolken: Der riesige Rucksack, den ich auf dem Rücken trug, wurde mir nicht schwer, und ich sprang zuversichtlich und leicht wie eine Feder hinten auf Don Josés schmutzigen Transporter. Efraín nahm vorne neben dem Fahrer Platz und bat ihn, uns zum nahe gelegenen Ort Reyes zu fahren, wo wir für einige Tage unser Lager aufzuschlagen gedachten. Doch nach weniger als einer halben Stunde Fahrt klopften wir, wie zuvor vereinbart, von hinten gegen die Fahrerkabine und riefen - damit Don José uns gut verstehen konnte - Efrain laut zu, wir wollten schon hier aussteigen und den Rest zu Fuß gehen. Unser Fahrer hielt seelenruhig mitten auf der unwegsamen Piste nach Reyes an. Wir waren keinem Fahrzeug

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