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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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durch das gleiche schwebende Labyrinth, nur daß wir jetzt langsamer liefen und uns neugierig nach den hell erleuchteten Fenstern der Wohnungen in den Baumstämmen umdrehten. Es war ein surrealer Anblick, der eher zu einer Escher-Zeichnung gepaßt hätte als in den tropischen Urwald. In Ermangelung einer Kamera bemühte ich mich, mir jedes Detail genau einzuprägen, denn höchstwahrscheinlich würde ich nie an diesen Ort zurückkehren, und niemand außer uns würde je von seiner Existenz erfahren. Es war ein einmaliges Erlebnis, das ich mir im Laufe meines Lebens noch häufig in Erinnerung rufen wollte.
    Wir überquerten den großen erleuchteten, inzwischen vollkommen verlassen daliegenden Platz und die letzte Baumbrücke bis zu dem Stamm, der den Ausgang bildete. Schweigend liefen wir die Rampe hinab, bis wir den röhrenförmigen Saal vom Anfang erreichten. Luk’ana blieb stehen und forderte uns mit einer gebieterischen Geste auf, die Lampen auf dem Boden abzustellen und durch den dunklen Tunnel in den Dschungel zurückzukehren.
    Da wandte Marta sich um und sagte zu unserem Führer:
    »Yuspagara.«
    Dieser zeigte keinerlei Regung.
    » Yuspagara «, insistierte sie, doch Luk’ana zuckte nicht mit der Wimper. »Würdet ihr glauben, daß ich mich bei ihm bedankt habe?«
    »Laß es, komm«, sagte ich, nahm ihren Ellenbogen und schob sie sanft in Richtung Tunnel. »Es hat doch keinen Zweck.«
    »Tschüs, Mann!« hörte ich Efrain fast im gleichen Moment.
    Und wieder betraten wir sechs den Tunnel, diesmal jedoch, ohne ein Licht am Ende zu sehen. Dieser Aufbruch im Dunkeln war unser Abschied von der Welt der Yatiri.
    Als wir endlich nach draußen gelangten und die riesigen Farne, die den Ausgang verdeckten, mit den Händen zur Seite schoben, mußten wir uns blind tastend, einer hinter dem anderen vorankämpfen, stets bedacht, einander nicht zu verlieren. So erreichten wir den Weg, den wir am frühen Abend verlassen hatten. Und als wir die letzten federigen Farnwedel auseinanderschoben, blendete uns das schwache Licht eines Lagerfeuers. Wir blinzelten unwillkürlich. Sekunden später erkannten wir die Toromonas, die sich, an mehreren Lagerfeuern hockend, lebhaft unterhielten. Offensichtlich warteten sie auf uns.
    Der Empfang war verhalten, doch sie schenkten uns ein breites Lächeln. Es schien in ihren Augen eine große Ehre zu sein, in der Welt der Bäume empfangen zu werden, und wir standen nun bei ihnen in hohem Ansehen. Der Anführer der Toromonas winkte uns sogar zu sich und lud uns ein, bei ihm und seiner Gruppe Leibwächter sowie dem alten Schamanen Platz zu nehmen. Er selbst bot uns die saftigsten Stücke des großen Brüllaffen an, den sie langsam am Feuer grillten.
    So verging die Nacht, und wir froren uns halb tot. Zum Glück hatten die Indianer ein spezielles Holz für das Feuer benutzt, das außergewöhnlich viel Wärme spendete. Es loderte auf wundersame Weise bis zum nächsten Morgen weiter, als wir den langen Rückweg zur Ruinenstadt antraten, von der wir jetzt wußten, daß sie Qhispita hieß. Wir vermuteten, daß sie den Yatiri bei ihrer Flucht aus dem Andenhochland als Brückenkopf gedient hatte, während Qalamana errichtet wurde. Wir hatten keine Ahnung, wie wir von dort zum Ausgang des Madidi-Nationalparks zurückfinden sollten. Doch wir waren sicher, daß wir eine Lösung finden würden. Es war erstaunlich, wie wir uns im Notfall neuen Verhältnissen anpaßten. Ebenso abrupt, wie das Licht am Abend verschwand, verloren wir den letzten Rest von dem, was an die alten Stadtpflanzen erinnerte, die wir gewesen waren.
    Es war der 16. Juli, ein Dienstag morgen, genau dreißig Tage nach unserem Aufbruch in La Paz. Vor uns lag ein weiterer Monat im Urwald, den wir für unsere Rückkehr in die Zivilisation benötigten. Doch die Zeit verging wie im Flug. Vor allem in den drei Wochen, die wir bis nach Qhispita brauchten. Tagsüber lernten wir immer mehr nützliche Fertigkeiten von den Toromonas, und nachts führten wir lange Gespräche am Lagerfeuer, bei denen wir auch unsere Erinnerungen an die Audienz rekapitulierten und analysierten, die uns die Capacas der Yatiri gewährt hatten.
    In den ersten Tagen waren wir allerdings noch gar nicht in der Lage, darüber zu sprechen. Alle sechs waren wir wie blockiert, unfähig zu erfassen, was mit uns passiert war. Wir weigerten uns, voreinander die beschämende Tatsache einzugestehen, daß wir etwas rational nicht Erfaßbares erlebt hatten. Es zuzugeben war nicht

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