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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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hinzugefügt: Sie war außerdem völlig durch den Wind. Innerhalb weniger Minuten hatte ihre Haltung von Anspannung zu Normalität und wieder zu Anspannung gewechselt, ohne daß ein Grund dafür zu erkennen gewesen wäre. Doctora Torrent konnte ihre ausgeprägt manischdepressive Ader nicht leugnen, wie gut sie auch Gestik und Mimik zu kontrollieren suchte, ihre ungewöhnlich tiefe und eigentümliche Stimme verriet sie. Das war ihre Achillesferse, der Riß, der die Mauer zum Einsturz brachte. In dem Bemühen, einen logischen Grund für ihre schlechte Laune zu finden, dachte ich, daß ich meinen Besuch vielleicht zu sehr ausgedehnt hatte und es wohl das beste wäre, so schnell wie möglich zu verschwinden. In diesem Augenblick heftete sie ihre eisigen Augen auf mich, und ihr Blick war so grimmig, daß ich drauf und dran war, die Flucht zu ergreifen und mich demütig rückwärts zur Tür zurückzuziehen und mich dabei zu verneigen wie ein chinesischer Höfling, wenn er sich vom Kaiser entfernt.
    »Was haben Sie da noch für Unterlagen?« fragte sie mich wie aus der Pistole geschossen.
    »Soll ich es Ihnen erzählen, oder wollen Sie selbst sehen?«
    »Lassen Sie mich sehen«, befahl sie und streckte den Arm aus, damit ich ihr den Dokumentenstapel überreichte. Da war nicht mehr viel, was ich ihr noch nicht gezeigt hatte. Außer den Fotos der Tiahuanaco-Schädel fehlten nur die Zeichnung der Stufenpyramide, die Reproduktionen der mit Reihen und Säulen aus winzigen Quadraten dekorierten Stoffe und Vasen sowie die Fotokopie der Karte mit den Windrosen und der von Sarmiento de Gamboa. Sie betrachtete alles lange, so als wäre es für sie neu und äußerst interessant. Nach fünf oder sechs ewigen und langweiligen Minuten zog sie eine der Tischschubladen auf und entnahm ihr eine große Lupe, die an Sherlock Holmes denken ließ. Allerdings war ihre aus dunklem, mit Schnitzereien üppig verziertem Holz. Sie mußte ein Vermögen gekostet haben. Ein solches Objekt fand man nicht so einfach in den Antiquitätenläden Barcelonas. Die Doctora hatte ihre Brille auf eine Stirnfalte hochgeschoben und musterte durch das Vergrößerungsglas mit ungewöhnlichem Interesse die alten Karten. Das ging so weit, daß ich mich fragte, ob ich mit diesem Gespräch nicht den größten Fehler meines Lebens begangen hatte. Wenn mein Bruder durch die neue Behandlung gesund würde und es meine Schuld wäre, daß diese Frau sich seines Forschungsmaterials bemächtigte, hätte ich einen riesigen Bock geschossen. Nicht ausgeschlossen, daß mein Bruder den Rest seines Lebens - oder meines, je nachdem, wer zuerst den Löffel abgab - nicht mehr mit mir sprechen würde.
    Nach einer wahren Ewigkeit ließ Doctora Torrent schließlich einen langen Seufzer hören, legte Lupe und Papiere auf den Tisch und nahm die Brille ab, um mir direkt in die Augen zu blicken. »Das haben Sie alles bei Daniel zu Hause gefunden?« fragte sie, ihre melodiöse Stimme hatte sich in das Zischen einer Schlange verwandelt (in Filmen zischten Schlangen so).
    »Bei ihm zu Hause, ja«, gab ich zu, bereit, mich mit den gesamten Unterlagen schnellstmöglich aus dem Staub zu machen.
    »Erlauben Sie mir eine Frage ... Glauben Sie, daß all das mit den Krankheiten zu tun hat, unter denen Ihr Bruder leidet?«
    Ich schnalzte mit der Zunge, bevor ich auf ihre so direkte Frage antwortete. Und in diesem kurzen Zeitraum, der nur einige Zehntelsekunden dauerte, beschloß ich, keine Silbe mehr über irgend etwas zu sagen. »Wie ich Ihnen schon erklärt habe, wollen die Ärzte wissen, ob Daniel Probleme bei der Arbeit gehabt haben könnte.«
    »Schon verstanden, aber ich meine etwas anderes.« Sie stützte beide Hände auf die Tischkante und richtete sich vor mir auf. »Was ich sagen will, ist, daß dieses Material in seiner Gesamtheit zeigt, daß Ihr Bruder eine völlig andere Forschungsrichtung verfolgte als die, mit der ich ihn betraut habe. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber Daniel hat sich auf irgendeine Art und Weise, und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie, all diese Dokumente aus meinem Büro geliehen. Und zwar ohne mir ein Wort zu sagen.«
    Wollte sie etwa andeuten, mein Bruder habe sie bestohlen? Was für eine blöde Kuh! Ich erhob mich ebenfalls von meinem Stuhl und blickte ihr ins Gesicht. Trotz des breiten Tisches zwischen uns erlaubte es mir meine Größe, sie von ganz oben herab mit dem größten Maß an kalter Verachtung zu strafen, dessen ich fähig war. Und

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