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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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begannen sich zusammenzufügen. Es war zwar nur ein Pyrrhussieg, aber immerhin.
    Intuitiv begab ich mich auf eine schnelle Netzsuche nach diesem Pedro Sarmiento. Zu meiner Überraschung entdeckte ich, daß dieser Typ im 16. Jahrhundert eine wichtige, sogar herausragende Figur gewesen sein mußte, und zwar je nach konsultierter Website als Seefahrer, Astronom, Mathematiker, Militärangehöriger, Historiker oder Dichter und Altphilologe. Er hatte nicht nur den Pazifik bereist und über dreißig Inseln entdeckt, darunter die Salomon-Inseln. Nein, er war auch der erste Gouverneur der Provinzen an der Magellanstraße, hatte an den Kriegen gegen die aufständischen Inka teilgenommen und eben die Generalvisite des Vizekönigreichs nach Peru begleitet. Des weiteren hatte er ein Navigationsinstrument erfunden, das Jakobsstab genannt wurde und dazu diente, die Längengrade (eine bis dahin unbekannte Größe) zu berechnen. Er hatte eine Geschichte der Inka geschrieben und war außerdem von dem Piraten Richard Grenville nach England entführt worden, wo er sich mit Sir Walter Raleigh und Königin Elizabeth, mit der er in perfektem Latein kommunizieren konnte, angefreundet hatte.
    Und als ob dies noch nicht gereicht hätte, mußte er sich gleich zweimal vor der Inquisition verantworten, die ihn auf einem Platz in Lima (die damals Ciudad de los Reyes - >Stadt der Könige< - genannt wurde) als Hexer und Astrologen bei lebendigem Leib verbrennen wollte. Konkret ging es um die Herstellung von Goldringen, angeblichen Glücksbringern. Angeklagt wegen Ausübung Schwarzer Magie und >magischer Praktiken mit Instrumenten<, mußte er Hals über Kopf nach Cuzco fliehen, nur um zehn Jahre später wegen ganz ähnlicher Vorwürfe in den geheimen Kerkern des Heiligen Offiziums zu enden - diesmal hatte er eine Tinte hergestellt, die bei dem Leser eines mit ihr niedergelegten Schriftstücks Liebe oder jedes nur erdenkliche Gefühl hervorrufen sollte.
    Jedenfalls war es mir jetzt möglich, die von Daniel fotokopierte Karte ziemlich genau historisch einzuordnen, da Pedro Sarmiento de Gamboa die Generalvisite nach fünf Jahren 1575 abschloß und sich nach Ciudad de los Reyes begab (oder dorthin verbracht wurde), wo er Anfang desselben Jahres von der Inquisition verurteilt und im Juli ins Gefängnis geworfen wurde. Sarmiento will die Karte des >Wegs der Yatiri-Indianer< am 22. Februar beendet haben, und laut einem Dokument des Inquisitionsgerichts von Lima 1 fanden sich im Inventar der am 30. Juli von Don Alonso de Aliaga, Gerichtsdiener der Inquisition, bei Sarmiento beschlagnahmten Objekte >drei mit Indianern und Ländereien bemalte Leinwände<.
    Den kryptischen Notizen meines Bruders war zu entnehmen, daß jene Leinwände viele Jahre später zusammen mit weiteren Objekten und Dokumenten aus dem Besitz des Sarmiento de Gamboa nach Spanien gebracht worden waren, wo sie fast ein Jahrhundert lang im Westindien-Archiv von Sevilla lagerten. Sie tauchten kurz im dortigen königlichen Handelshaus, der Casa de Contratación, auf, um ihre Reise dann im Hydrographischen Archiv von Madrid zu beenden, wo sie sich offenbar noch befanden und wo Daniel sie vermutlich entdeckt hatte.
    Ich mußte nur noch herausfinden, an welchem See der >Weg der Yatiri-Indianer< begann, und das war die leichteste Übung an diesem Abend. Es reichte, im Internet eine Karte der bolivianischen Hochebene aufzurufen, um zu entdecken, daß die Umrisse des Titicacasees exakt mit denen übereinstimmten, die Sarmiento de Gamboa gezeichnet hatte. Und seine große Stadt lag südlich des Sees haargenau bei den Ruinen von Tiahuanaco. Nicht so leicht nachzuvollziehen war die Wegstrecke, die von der Stadt, die immerhin mehr als viertausend Meter über dem Meeresspiegel lag, hinabführte, um im Urwald dem Verlauf eines namenlosen Flusses zu folgen. Die Karte auf meinem Bildschirm zeigte ein ganzes Netz von Flußarmen und Wasseradern, die ein heilloses, unentwirrbares Knäuel bildeten.
    Da die Zeichnung Sarmiento de Gamboas abrupt an der Unterkante dessen abriß, was ich zunächst für ein Laken mit ausgefranstem Saum gehalten hatte, blieb auch die Frage unbeantwortet, wohin die Ameisenspuren führten, die sich im Amazonas verloren. Das war für meine Suche jedoch unerheblich, denn das Wichtigste hatte ich nun herausgefunden: Pedro Sarmiento de Gamboa hatte auf seiner fünfjährigen Reise durch Peru, auf der er im Rahmen der Generalvisite den Bericht an die Krone zu verfassen hatte, die Yatiri in

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