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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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er, Fotos von Schädelformationen zu sammeln, und schließlich weckte die Karte des Piri Reis seine Aufmerksamkeit. Daniel hatte vermutet, daß die Aymara (oder die Colla oder Pukara) zu Urzeiten, vielleicht einige Jahrtausende vor unserer Zeit, einen Gott verehrt hatten, der dem Humpty Dumpty mit der Riesenbirne ähnlich war. Deshalb hatte er sich bemüht, das Alter der Karte zu erfahren. Er wollte herausfinden, in welchem historischen Moment die Aymara diese Verehrung des Gottes mit dem Riesenkopf entwickelt hatten, welchen er ebenfalls in dem späteren und vermenschlichten Zeptergott erblickte, auch wenn er sich nicht sicher war, ob diese Abbildung wirklich einen Gott darstellte, wie immer behauptet wurde. Viracocha jedenfalls konnte schon gar nicht gemeint sein - den hielt mein Bruder für eine Erfindung der Inka kurz vor Ankunft der Spanier.
    Daniel hatte offensichtlich zahlreiche Anläufe gebraucht, um die Tocapu-Texte zu entziffern, denn auf dem Laptop fanden sich Hunderte eingescannter Reproduktionen entsprechender Stoffe und Keramikobjekte. Er hatte verzweifelt Beispiele und noch mehr Beispiele gespeichert, um den Schlüssel zu finden, der beweisen würde, daß diese geometrischen Muster in Wahrheit ein Schriftsystem waren. Es gab zahllose Unterverzeichnisse mit digitalen Reproduktionen, die ohne jeden erkennbaren Sinn katalogisiert waren, benannt mit langen Ketten zusammenhangloser Ziffern.
    Doch dann stießen wir tatsächlich auf das Programm, das meinem Bruder schließlich den Schlüssel geliefert hatte. Es hieß JoviLoom (vielleicht Jovis Webstuhl    JoviLoom war im Grunde ein Datenbankprogramm. Soweit nichts Ungewöhnliches. Auch die Tatsache, daß es statt Informationsfolgen Bilder verwaltete, war nicht weiter spektakulär. Von dieser Art von Programmen gab es Hunderte. Erstaunlich war jedoch, daß sich, wenn man es öffnete, zwei vertikale Fenster nebeneinander auftaten. Im ersten erschien eine Übersicht von über zweihundert winzigen Tocapus, die in Dreierreihen angeordnet waren und die man einzeln anklicken und in das daneben gelegene Fenster ziehen konnte, um das Muster eines jeden Stoffs zu reproduzieren. Wenn man bestätigt hatte, daß man mit dem >Weben< des gewünschten Textes fertig war, verwandelte das Programm den Entwurf in eine kontinuierliche Reihe von Tocapus und durchsuchte diese nach identischen Abfolgen. Wenn es welche fand, teilte es die Reihe jeweils beim ersten Buchstaben (oder Tocapu) der gefundenen Abfolge (oder des gefundenen Worts) und startete die Suche neu ab dem zweiten Tocapu des Musters. JoviLoom tat also ungefähr das, was man bei diesen Buchstabenrätseln tun muß, um in einer >Buchstabensuppe< Wörter zu identifizieren, herauszusuchen, die nicht nur horizontal, sondern auch vertikal, diagonal und invertiert verlaufen können. So konnte man zum Beispiel aus einem rechteckigen Umhang, der mit einer bestimmten Anzahl von Tocapus verziert war, unzählige Kombinationen extrahieren. Am Ende ergaben sie eine Reihe von Grundmustern (genau wie im Buchstabenrätsel), hinter denen sich die angenommenen Wörter versteckten. Sie wurden dann von JoviLoom nach einer logischen Ordnung gemäß ihrer ursprünglichen Lage zusammengestellt und getrennt. Wenn der Text auf diese Weise aufgebaut, das heißt, an die lateinische Grammatik angepaßt war, mußte er nur noch übersetzt werden -was Jovi-Loom allerdings nicht tat. Das Programm beschränkte sich großzügig darauf, eine anarchische Version aus augenscheinlich wild durcheinandergewürfelten lexikalischen Wurzeln und Suffixen des Aymara anzubieten. Offensichtlich konnte ein einziges Tocapu sowohl einen Buchstaben darstellen (es gab nur Konsonanten!) wie auch eine Silbe aus zwei, drei und sogar vier Buchstaben, oder sogar ein ganzes Wort. Wir schlossen daraus, daß jedes einzelne Tocapu einerseits eine symbolische, andererseits eine phonetische Bedeutung hatte, also gleichzeitig

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