Der verlorne Sohn
»Der Herr Doctor Zander hat ein Wunder an mir gethan. Ich kann es ihm nicht genug danken.«
Da wurde die Thür zum Nebenzimmer geöffnet. Doctor Holm erschien.
»Durchlaucht!« rief er überrascht. »Welche Ehre! Und Doctor Zander? Herzlich willkommen!«
»Durchlaucht? Welche Durchlaucht?« fragte es hinter ihm.
»Siehe es selbst!«
Er trat zur Seite, und es kam die Amerikanerin Ellen Starton herein. Sie erröthete zwar, als sie den Fürsten erblickte, gab ihm aber freimüthig die Hand mit den Worten: »Das ist freilich eine große Ueberraschung, Durchlaucht, ich wollte mir heute die Ehre geben, zu Ihnen zu kommen, um mir eine Audienz zu erbitten.«
»Sie sind herzlich willkommen.«
»Ich hatte Ihnen etwas so sehr Hochwichtiges mitzutheilen.«
»Ich werde ganz Ohr sein.«
»Nun ich Sie aber so erfreulicher Weise bereits jetzt sehe, so möchte ich Ihnen diese Mittheilung doch lieber gleich jetzt machen.«
»Ich muß mich Ihnen auch jetzt zur Verfügung stellen. Also bitte! Etwas Hochwichtiges?«
»Ja, aber nur für mich. Lieber Max, ist es nicht eigentlich Deine Sache, es Durchlaucht zu sagen?«
»Ja, eigentlich; aber –«
Sie blickten sich unter glücklichem und einigermaßen verlegenem Lächeln an, bis der Fürst sagte:
»Bitte, bitte, ich mag gar nichts hören! Ich weiß es schon!«
»O nein, gewiß nicht!« antwortete Ellen.
»Soll ich rathen?«
»Ja, bitte?«
»Sie wollen mich einladen?«
»Richtig, richtig! Aber wozu?«
»Zur Verlobung einer sehr berühmten amerikanischen Tänzerin mit einem ebenso berühmten europäischen Violinvirtuosen. Nicht wahr?«
»Ja, es ist errathen; unser Geheimniß ist enthüllt!«
»Ich komme! Wann aber und wo?«
»Das ist wirklich noch unbestimmt. Hier bei Max ist es zu eng für unsere Gäste und im Hotel Union, wo ich noch wohne, giebt es keinen Saal.«
»Ich wüßte einen!« lachte der Fürst.
»Wirklich? Wo?«
»Muß er groß sein?«
»Nein. Eine kleine Hütte, wo einige glückliche Schiller’sche liebende Paare Platz finden.«
»Das ist bei mir zu finden.«
»Bei Ihnen? O nein!«
»O doch, beste Miß Ellen. Sie werden Ihre Verlobung bei mir feiern; das verlange ich partout. Es giebt gar nichts dagegen zu sagen. Ihr Bräutigam hat mir so bedeutende Dienste geleistet, daß er mir doch jetzt nicht eine Absage geben darf. Also topp! Eingeschlagen!«
Er hielt den Beiden die Hände hin. Doctor Holm zögerte, aber die Amerikanerin war muthiger.
»Ja, unhöflich dürfen wir nicht sein, Max. Also eingeschlagen! Doch unter einer Bedingung!«
»Welcher?«
»Herr Doctor Zander muß mitkommen. Der Mann, welcher unserem Papa den Gebrauch der Glieder wiedergegeben hat und meinem Max die – ah, da kann ich es doch gleich sagen: Wissen Sie, Herr Doctor, was wir eben thun wollten?«
»Ich bitte, es erfahren zu dürfen.«
»Geigen, ja geigen wollten wir!«
Zander machte ein ironisch erstauntes Gesicht und sagte:
»Ist das hier etwas so Seltenes?«
»O, sehr selten!«
»Ich denke, Herr Doctor Holm geigt täglich.«
»Verkehrt, ja; aber heute möchte er die Violine endlich wieder in die Linke nehmen. Wie steht es mit dem Verbande?«
»Na, lassen Sie sehen! Ich hatte mich doch geirrt. Ich glaubte, daß die Heilung in vierzehn Tagen eintreten werde, aber es ist doch eine so viel längere Zeit nöthig gewesen.«
Er entfernte den Verband von der linken Hand Holm’s, ließ diesen die Finger bewegen, untersuchte jeden einzelnen derselben und sagte dann: »Es geht. Aber, bitte, gehen wir lieber sicher. Warten Sie noch einige Tage.«
»O weh!« seufzte Ellen. »Sie sind grausam.«
»Nein, ich bin nicht grausam, sondern ich verfolge nur einen gesellschaftlichen Zweck,« lächelte er.
»Welcher wäre das?«
»Bleibt es dabei, daß ich zur Verlobung geladen bin?«
»Natürlich!«
»So erlaube ich, daß er bei diesem Feste vor den versammelten Gästen zum ersten Male seine Meisterschaft zeigt, eher aber nicht. Einverstanden, Miß?«
»Ja, darauf gehe ich ein! Er mag also dafür sorgen, daß er sich möglichst bald überzeugt, ob die Hand brauchbar geworden ist oder nicht.«
»Sie ist es; ich garantire.«
Er beschäftigte sich noch kurz mit Holm’s Vater und dann verließ er mit dem Fürsten die glückliche Familie, um eine Minute später die vier Treppen zu dem Theaterdiener Werner hinaufzusteigen.
Als sie da eintraten, waren die sämmtlichen Glieder der Familie vorhanden. Emilie und Laura kannten ja den Fürsten und verbargen die Freude nicht, mit
Weitere Kostenlose Bücher