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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fähig.«
    »Ueberzeugen Sie sich! Er arbeitet Nächte lang zu Hause und verkauft die Maschinen und Instrumente in seinem Interesse. Gerade jetzt hat er wieder eine Maschine dastehen, welche er für einen Engländer fertigt. Es ist nicht gut, wenn Prinzipale allzu vertrauensselig handeln. Es werden dadurch immer mehr unehrliche Menschen fertig, mit denen dann doch wir unsere Noth bekommen.«
    »Herr, das ist viel gesagt!«
    »Aber es ist wahr! Ich hoffe, daß Sie diesem Schwindler das Handwerk legen, ehe er Ihnen noch größeren Schaden bereitet. Nachsicht und Milde ist da gar nicht angewandt.«
    »Sie sagen, er hat die Maschine zu Hause stehen?«
    »Ja. Sobald er vom Mittagessen zurück ist, können Sie hingehen und sich überzeugen.«
    »Das werde ich allerdings thun. Ich hoffe, daß ich ihn schuldlos finde; hat er mir aber wirklich Material unterschlagen, so lasse ich ihn ohne alle Nachsicht bestrafen. Ich kann nur ehrliche Leute bei mir beschäftigen, sonst ist es um die Ehre meiner Firma geschehen.«
    »Da haben Sie sehr Recht! Adieu!«
    »Leben Sie wohl, und meinen Dank für die Warnung.«
    Um ein Uhr kehrte Wilhelm Fels von seiner Mutter zurück und begann seine Arbeit von Neuem. Niemandem fiel es auf, daß der Prinzipal ausging. Das kam ja öfters vor. Er begab sich nach der Wasserstraße Elf, wo man ihn persönlich gar nicht kannte. Die Blinde war allein zu Hause.
    »Ist Herr Fels da?« fragte er.
    »Nein. Was wünschen Sie?«
    »Ich wollte ihm eine Privatarbeit in Auftrag geben. Nimmt er dergleichen an?«
    »Sehr gern, mein Herr. Könnten Sie nicht heute Abend wiederkommen?«
    »Das ist möglich. Aber lieb wäre es mir, eine Arbeit von ihm zu sehen. Hat er nicht so Etwas hier?«
    »O ja. Draußen in der Kammer steht eine Maschine, welche er für einen Engländer anfertigt.«
    Der Mechanikus betrachtete sich die Maschine, erkannte sein Material und ging. Aber er ging nicht direct nach Hause, sondern auf die Polizei, wo er sich einen Wachtmeister mitnahm. Eine Stunde später befand sich Wilhelm Fels in Untersuchungshaft.
    Es war gegen Abend desselben Tages, als sowohl Robert wie Marie ihre Arbeiten beendet hatten. Das Dunkel war bereits angebrochen, so daß Beide sich ihrer ärmlichen Kleidung nicht zu schämen brauchten. Sie gingen mit einander fort und trennten sich vor dem Laden, in welchem Marie ihre Stickerei abzugeben hatte.
    Marie trat ein. Es gab da noch mehrere Käufer zu bedienen; aber trotzdem wurde sie sofort von einer der Verkäuferinnen gefragt, was sie wünsche.
    »Ich bringe ein Stickerei,« sagte sie.
    »Wie heißen Sie?«
    »Marie Bertram.«
    »Geben Sie her und setzen Sie sich! Ich werde es der Madame sogleich melden!«
    Aber anstatt nach dem Cabinet zu gehen, in welchem die Principalin residirte, schlüpfte sie hinaus auf den Hof, schlug dort in einem Winkel das Papier auseinander, in welches die Stickerei geschlagen war, zog aus der Tasche ein kleines Fläschchen mit Oel hervor und schüttete einen großen Theil desselben auf die Stickerei. Dann legte sie das Papier wieder in die frühere Lage, zog die Schnure darüber und begab sich nun erst zur Madame.
    Marie wurde gerufen. Sie hatte Monate lang mit eisernem Fleiße an dieser Aufgabe gearbeitet. Sie wußte, daß alles zur besten Zufriedenheit gerathen sei und trat daher heiteren Antlitzes bei der strengen Dame ein.
    »Endlich fertig!« seufzte diese. »Diese Arbeit hat mir sehr viel Ärger bereitet. Sie ist von der Baronin von Helfenstein bestellt, welche längst mit Schmerzen darauf gewartet hat. Lassen Sie sehen!«
    Sie nahm das Packet, zog die Schnur ab, nahm das Papier hinweg und schlug die Arbeit auseinander. Kaum aber hatte sie den ersten Blick darauf geworfen, so stieß sie auch einen Ruf des Schreckes und der Entrüstung aus.
    »Herrjemine! Was ist denn das? Diese Stickerei schwimmt ja in Oel! Und das bringen Sie zu mir!«
    Marie erschrak bis auf den Tod. Die Dame hielt ihr die Arbeit vor die Augen. Die kostbare Seide war verdorben, die Spitzen, die Perlen, Alles, Alles war hin. Marie glaubte in die Erde sinken zu müssen, aber sie faßte sich und erklärte, daß das Oel weder daheim, noch unterwegs an die Stickerei gekommen sei. Da gab es denn neues Oel, nämlich Oel in’s Feuer. Es folgte ein Auftritt, der sich gar nicht beschreiben läßt. Die Arbeiterinnen, die Verkäuferinnen, Alles eilte herbei, um zu sehen, daß es doch möglich sei, eine Stickerei im Werthe von mehreren hundert Thalern zu verderben. Marie war fast

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