Der Vermesser (German Edition)
Und Spratt war Zeuge dieses Schauspiels gewesen.
XVIII
A m folgenden Samstag brach Tom bereits früh zum Badger auf, obwohl er den Captain eigentlich hatte warten lassen wollen. Als Begleitung nahm er Joe mit. Unterwegs vermeinte er in jedem Schatten und hinter jedem verfallenen Torbogen ihr rosafarbenes Gesicht zu sehen, das ihn anlächelte. Natürlich würde sie bei seinem Anblick vor freudiger Erregung zittern, der ganze rosafarbene Rumpf würde beben, während sie mit dem abgenagten Schwanzstummel wedeln, die Schnauze schräg legen und in seine Hand schmiegen würde. Plötzlich spürte er einen Stich in der Seite, so scharf, dass er einen Augenblick stehen bleiben und sich, vornübergebeugt, mit den Händen auf die Oberschenkel stützen musste.
Als es vorbei war und er sich wieder aufrichtete, schüttelte er heftig den Kopf, um die Gedanken an sie zu verscheuchen. Alles nur Hirngespinste, was sonst. Denn der Captain würde sie wohl gar nicht mitbringen, es sei denn, er wollte sie zum Kampf antreten lassen. Er würde sie schonen. Vermutlich lag sie gerade wohlig in einer piekfeinen Hundehütte und nagte an einer saftigen Rinderkeule. Um nicht mehr an sie denken zu müssen, gab sich Tom müßigen Spekulationen über die Hunde hin, mit deren Erscheinen er an diesem Abend im Badger rechnete. Joe hörte ihm zu, ganz verwundert über den Wortschwall seines sonst so maulfaulen Freundes, und kratzte sich am Kopf. Schon eine komische Sache, so ein Riesenbatzen Geld, kein Zweifel. Joe hatte bislang niemand kennen gelernt, dem ein Vermögen einfach so in den Schoß gefallen war, aber in seiner Vorstellung war das so, als würde man einen Menschen, der sein ganzes Leben lang zufrieden gelebt und fest auf den eigenen Beinen gestanden hatte, einfach auf den Kopf stellen.
Als sie ins Badger kamen, war die Loge des Captain leer, aber Brassey wies seinen Gehilfen gerade an, die Lehnsessel mit einem feuchten Lappen abzuwischen, woraus man schließen konnte, dass er jeden Augenblick erwartet wurde. Tom lehnte sich über die Brüstung der Arena, scheinbar ganz auf den Kampf konzentriert, in Wirklichkeit jedoch lauschte er mit gespitzten Ohren nach Schritten auf der Treppe und fingerte an dem Schriftstück in seiner Tasche herum, bis die Ecken weich waren wie ein Damenhandschuh. Das gleißende Licht über dem weiß gestrichenen Kampfplatz tauchte den Raum in Halbdunkel und narrte ihn. Immer wieder meinte er sie erspäht zu haben, glaubte, die Tür einen Spalt weit aufgehen und auf der Schwelle ihre rosa Schnauze zucken zu sehen, nach dem gehaltvollen Aroma der Arena schnuppernd. Dann krampfte sich ihm jedes Mal das Herz ein wenig zusammen, und er flüsterte leise ihren Namen. Doch die Tür ging nicht auf. Was er sah, waren nur Schattenspiele der flackernden Gasbeleuchtung, hervorgerufen durch das Getrampel der Leute oder durch einen Windstoß, der durch ein zerbrochenes Fenster hereinfuhr. Mit jeder enttäuschten Erwartung wuchs die Leere in ihm, schwoll sein Zorn an wie Schlamm, der langsam einen Tunnel füllt. Wo blieb nur dieser Scheißkerl von Captain? Der Schweinehund hatte ihm doch versprochen zu kommen. Sicher, er hatte sich auch früher schon verspätet, allzu lange wartete er ja noch nicht. Aber wenn er sich einbildete, er könne sich auf diese Weise aus der Affäre ziehen …
Tom befühlte wieder das Schriftstück in seiner Tasche.
Sie hatten sich vier, fünf Kämpfe angesehen, und Joe hatte beim Wetten ein paar Shilling gewonnen, als Brassey den Ring für geschlossen erklärte.
»Wenn Sie sich bitte nach unten begeben wollen, um eine kleine Erfrischung zu sich zu nehmen …«, drängte er seine Gäste mit einem Grinsen, das sein Gesicht in zwei Hälften teilte wie eine verfaulte Orange.
»Wo ist er?«, fragte Tom ihn, während die Zuschauer lärmend in den Schankraum hinunterstapften. »Er schuldet mir Geld, und er hat versprochen zu kommen.«
»Ach komm schon, Tom«, gab Brassey beschwichtigend zurück, beschleunigte jedoch seinen Schritt und wich Toms Blick aus. »Ein Gentleman wie der Captain hat immer viele Verpflichtungen gleichzeitig. Man kann doch nicht von ihm erwarten, dass er so einfachen Leuten wie dir nach der Pfeife tanzt.«
»Wir hatten aber eine Abmachung.«
»Ja, sicher«, stimmte Brassey zu. »Und ich vertraue voll und ganz darauf, dass der Captain sein Wort hält und seine Schulden begleicht.«
Doch Brasseys Zuversicht sollte sich als falsch erweisen. Am nächsten Samstag machte sich Tom,
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