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Der Vermesser

Der Vermesser

Titel: Der Vermesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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Hundehütte und nagte an einer safti-
    gen Rinderkeule. Um nicht mehr an sie denken zu müssen, gab
    sich Tom müßigen Spekulationen über die Hunde hin, mit de-
    ren Erscheinen er an diesem Abend im Badger rechnete. Joe
    hörte ihm zu, ganz verwundert über den Wortschwall seines
    sonst so maulfaulen Freundes, und kratzte sich am Kopf. Schon
    eine komische Sache, so ein Riesenbatzen Geld, kein Zweifel. Joe
    hatte bislang niemand kennen gelernt, dem ein Vermögen ein-
    fach so in den Schoß gefallen war, aber in seiner Vorstellung war

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    das so, als würde man einen Menschen, der sein ganzes Leben
    lang zufrieden gelebt und fest a f
    u den eigenen Beinen gestanden
    hatte, einfach auf den Kopf stellen.
    Als sie ins Badger kamen, war die Loge des Captain leer, aber
    Brassey wies seinen Gehilfen gerade an, die Lehnsessel mit einem
    feuchten Lappen abzuwischen, woraus man schließen konnte,
    dass er jeden Augenblick erwartet wurde. Tom lehnte sich über
    die Brüstung der Arena, scheinbar ganz auf den Kampf konzen-
    triert, in Wirklichkeit jedoch lauschte er mit gespitzten Ohren
    nach Schritten auf der Treppe und fingerte an dem Schriftstück
    in seiner Tasche herum, bis die Ecken weich waren wie ein Da-
    menhandschuh. Das gleißende Licht über dem weiß gestriche-
    nen Kampfplatz tauchte den Raum in Halbdunkel und narrte
    ihn. Immer wieder meinte er sie erspäht zu haben, glaubte, die
    Tür einen Spalt weit aufgehen und auf der Schwelle ihre rosa
    Schnauze zucken zu sehen, nach dem gehaltvollen Aroma der
    Arena schnuppernd. Dann krampfte sich ihm jedes Mal das
    Herz ein wenig zusammen, und er flüsterte leise ihren Namen.
    Doch die Tür ging nicht auf. Was er sah, waren nur Schatten-
    spiele der flackernden Gasbeleuchtung, hervorgerufen durch
    das Getrampel der Leute oder durch einen Windstoß, der durch
    ein zerbrochenes Fenster hereinfuhr. Mit jeder enttäuschten Er-
    wartung wuchs die Leere in ihm, schwoll sein Zorn an wie
    Schlamm, der langsam einen Tunnel füllt. Wo blieb nur dieser
    Scheißkerl von Captain? Der Schweinehund hatte ihm doch ver-
    sprochen zu kommen. Sicher, er hatte sich auch früher schon
    verspätet, allzu lange wartete er ja noch nicht. Aber wenn er sich
    einbildete, er könne sich auf diese Weise aus der Affäre ziehen ...
    Tom befühlte wieder das Schriftstück in seiner Tasche.
    Sie hatten sich vier, fünf Kämpfe angesehen, und Joe hatte
    beim Wetten ein paar Shilling gewonnen, als Brassey den Ring
    für geschlossen erklärte.

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    »Wenn Sie sich bitte nach unten begeben wollen, um eine
    kleine Erfrischung zu sich zu nehmen ...«, drängte er seine Gäste
    mit einem Grinsen, a
    d s sein Gesicht in zwei Hälften teilte wie
    eine verfaulte Orange.
    »Wo ist er?«, fragte Tom ihn, während die Zuschauer lärmend
    in den Schankraum hinuntersta ften.
    p
    »Er schuldet mir eld,
    G
    und er hat versprochen zu kommen.«
    »Ach komm schon, Tom«, gab Brassey beschwichtigend zu-
    rück, beschleunigte jedoch seinen Schritt und wich Toms Blick
    aus. »Ein Gentleman wie der Captain hat immer viele Verpflich-
    tungen gleichzeitig. Man kann doch nicht von ihm erwarten,
    dass er so einfachen Leuten wie dir n ch der Pfe
    a
    ife tanzt.«
    »Wir hatten aber eine Abmachung.«
    »Ja, sicher«, stimmte Brassey zu. »Und ich vertraue voll und
    ganz darauf, dass der Captain sein Wort hält und seine Schulden
    begleicht.«
    Doch Brasseys Zuversicht sollte sich als falsch erweisen. Am
    nächsten Samstag machte sich Tom, das zerknitterte Schrift-
    stück in der Tasche, erneut zum Badger auf, und wieder wartete
    er. Wieder horchte er auf Schritte auf der Holztreppe, die Hand
    an der Tür. Und wieder blieb die Loge des Captain leer. Tom
    wagte sich nicht auszumalen, was aus Lady geworden war. Dass
    Brassey ihn von der anderen Seite des Raums genau beobachtete
    und dem Gehilfen etwas zuflüsterte, merkte er nicht. Er setzte
    sich in eine Ecke und schürte die Wut, die in ihm anschwoll und
    die Leere anfüllte, die die Hündin in ihm hinterlassen hatte. Er
    trank einen Whisky und noch einen. Seine Kehle brannte. Sie
    beide waren getäuscht und betrogen worden. Doch falls dieser
    Schweinehund meinte, Tom würde seinen Verlust mit einem
    Achselzucken abtun, hatte er sich gründlich verrechnet. Tom
    war kein Märtyrer wie diese sanften Narren in der Bibel, die
    auch noch die andere Wange hinhielten. Schon bald würde der

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    Captain sich wünschen, dem Kanaljäger und seiner Hündin nie-
    mals über den Weg

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